456

Am Scheidewege.

,Nvn §h-

(Fortse^un,,.)

Er will überall der Erste sein" , lachte Demarris ,und streitet sür sein Leben gern. Bei alledem wird er sich freuen, Sie zu sehen. Ich bedaure, daß ich Sie nicht begleiten kann; loch ick babe einer Dame meinen Besuch versprochen, und Damen muß man Wort halten "

Man muß immer Wort halten", sagte Pozzo di Borgo freundlich.Vielen Dank, mein Herr."

Ich hoffe, wir sehen uns noch", ries Demarris.Sie wer­den Vülence loch nicht gleich wieder verlassen wollen?"

^Jch bleibe wohl einen und Len andern Tag, ehe ich mei­nen Weg nach Paris fortsetze."

Nach Paris wollen Sie? Sie sind zu beneiden. Es ge­hen große Dinge dort vor sich."

Es werden noch größere Vorgehen" , antwortete Pozzo di Borgo.

Die Nationalversammlung wird vom Könige nach Soissons geschickt werden. Haben Sie davon gehört."

Ich habe Nichts davon gehört?"

Nun, man wird sich schon vertragen!" rief Demarris. Ein ganzes Heer lagert um Paris, schade daß wir nicht dabei sind. Fahren Sie nach dem rothen Hause, dort speist man am besten, ich esse auch dort. Und grüßen Sie Bonaparte. Pardon! Noch einen Augenblick. Er wollte ebenfalls Frau von Colombier seinen Besuch machen. Er soll bald Nachkommen und soll Sie mttbringen. Ich werde Sie anmelden. Verlassen Sie sich dar­aus, Sie werden willkommen sein und die liebenswürdigste Auf­nahme finden. Es ist eine der ersten und ausgezeichnetsten Fa­milien in Valence. Auf Wiedersehen also, Herr Pozzo di Borgo. Sie werden finden, daß die Damen von Valence den Rus ihrer Schönheit verdienen. Adieu! Adieu !" So selbstgefällig lachend und höflich grüßend ging der Lieutenant zum Thore hinaus und trällerte unter der Wölbung ein Liedchen, während der Postkär- ren in entgegengesetzter Richtung weiter rumpelte.Meiner Treu l" murmelte der junge Rechtsgelehrte vor sich hin,wenn Napoleon Bonaparte viele solche intime Freunde hat, wie-diesen, so muß er sich sehr verändert haben doch nein", fuhr er fort und ein spöttisches Zucken flog um seinen Mund,er hat sich immer Leu­ten zugeneigt, die sich von ihm bevormunden ließen und ihn be­wunderten, und dieser geschwätzige Kamerad ist sicher einer von der Sorte, wie sie ihm zumeist zusagt."

Der Führer des Karrens hatte die Weisung empfangen, nach dem rothen Hause zu fahren, und bald hielt er dort, wo Pozzo d: Borgo wohl ausgenommen wurde. Als das Fuhrwerk an dem hohen Hause vorüberrollte, in welchem der Lieutenant Bonaparte wohnte, sah sein Landsmann hinauf, es war jedoch Niemand zu erblicken. Der junge Mensch, welcher im dritten Stock aus dem Fenster schaute, als der Karren vor der Wache hielt, hatte sich längst von diesem Platze entfernt und saß nun an einem hochbei­nigen Schreibpulte, mit der einen Hand seinen Kops stützend, in der andern eine abgeschriebene Feder haltend, welche eilig über den Papierbogen flog, der vor ihm lag. Diesen Bogen hatte er beinahe vollbeschrieben und eine Anzahl anverer schichteten sich in einem Fache auf. Das Stübchen war klein und ziemlich ärm­lich möblirt. Ein Bett in der Ecke, ein Schrank an der andern Seite, einige Riegel, an denen Kleidungsstücke hingen, ein Tisch und einige Stühle, die unordentlich umherstanden, nahmen den meisten Raum fort. Auf dem Schreibpulte lag ein Haufen Bü­cher, einige davon aufgeschlagen. Papierstücke, die beschrieben und zerrissen, angefangene Zeichnungen, denen es nicht besser er­gangen. zerspaltene und zerbrochene Federn und Bleistiftsplitter bedeckten den Fußboden, dem mancherlei große Tintenflecken über« dieß nicht fehlten. Landkarten waren an die Wände genagelt, eine große Karte überdeckte den Tisch, und an verschieedenen Stel­len derselben steckten Nadeln mit rothen, schwarzen und farbigen Köpfen. Am Pfeiler hing ein schmales Spiegelglas, gesprungen voll oben bis unten, darunter aber auf der Tischecke schimmerte rin B lumenstrau ß, in ein Wasserglas gestellt und von einem

Nerig-rr, -tSrvcki und »

blauen Bande umwunden. Es war Ließ der einzige freundliche Schmuck des Zimmers, das einzige Zeichen der Sorgfalt seines Bewobners, überall sah es sonst wüst und wirr aus. Das Bett selbst befand sich in Unordnung, mit Uniformstücken beworfen, und der Degen des Herrn Lieutenants Bonaparte, welcher daran gelehnt hatte, war heruntergerutscht, daß er nur noch mit dem Gefäß an einer Kante festhing.

Aber Napoleon Bonaparte hatte keine Augen dafür. Er richtete diese unverwandt auf d-n Bogen vor sich und schrieb mit Hast. Zuweilen jedoch hielt er inne, strich aus und schrieb von Neuem, warf seine Blicke lebhaft umher und z»m offenen Fenster hinaus aus die grünen Berge und den fluchenden Strom, der ei­nen leuchtenden Streif in cer Ferne erkennen ließ; dann warf er sich selbst in den Stuhl zurück und starrte die Zimmerdecke an, um plötzlich aus dieser Ruhe aufzufahren und wiederum seine Fe­der arbeiten zu lassen.

Tie schmale, untersetzte Gestalt des jungen Mannes schien von außerordentlicher Beweglichkeit. Er gehörte'zu den Menschen, deren geistiges Leben auch den Körper in fortgesetzter Unruhe er­hält. Unier dem alten Militärrock zackten seine Füße und sein, Leib hin und her. und an der schmalen Hanv, welche seineü Kops stützte, und über welche das feine schwarze Haar fiel, zuckten seine Finger bald hier bald dort. Es war kein eben schöner K»pf, der aus der dunklen Halsbinde hervorstieg, aber rock ein Kopf von eigenthümlichen Formen und anziehendem Gepräge. Gelb und blutlos die Gesichtsfarbe, seingebildet und fest Nase und Mund, die Stirn hock und besonders brüt, eine knochige, mächtige Den-, kerstiin, das Haar darüb-r seidig glänzend, die Augen tief, dun­kel und von durchdringendem Feuer. Ein kühner Ausdruck über­legener geistiger Kraft und Kälte nahm diesem Gesicht die jugend­liche Frische; man sah ihm an, daß deftige Leidenschaften es plötz­lich in Ausruhr bringen konnten, und daß es nicht sür die leicht­fertigste Lust und Fröhlichkeit eines sorglosen, jungen Offizier? ge­schaffen sei. (Forts, folgt.)

Vor dem Gericht in N. bei Berlin strht ein sberüchtigter Dieb; es handelt sich um einen Einbruch beim Handelsmann Sckapsel. Beruner. Der Bestohlene wird als Zeuge vernommen. Präs.: Wie heißen Sie? Beniner (achselzuüend und lächelnd): Wie soll mer heißen, Herr Perfidem? Wann Se kimmen ßu gehn von Z. nach N. und von N. nach Z. und Se frvgen in jedem Dorfe jedes Kind, werdt man Ihnen sogen, ich bin der Schapsel Berliner aus Z. Präs.: Sie haben kurz zu antworten, ersparen Sie sich alle Umschweife. Was ist Ihnen gestohlen - Zeuge erzählt lamentirend, was er von dem bei ihm verübten Diebstahl weiß. Präs, (ruf einen Pack Maaren deutend): Re- cognosnren Sie diese Maaren als Ihr Eigenthum? Beniner: Was soll ich? Ich muß Ihnen sagen, Herr Präsident, bei ünS spricht me nischt lateinisch ünd nischt sranzösch, ich känn das nichts lesen was Sie do schmusen, Präsid.: Nun, Sie sollen mir sa­gen, ob die Waare, die hier vor Ihnen liegt, diejenige ist, die Ihnen gestohlen worden ist? Beruner (sich zu seiner Frau um­wendend. die sich im Zuhörerraum befindet): Gott der Gerechte, Nickel, hast du gehört? Ri'ckel. kümm e mal her! Ich haab mer dock gekaaft die Moore ßu Lapßig auf der M.ß, mir ist sie wor­den gestohlen (auf den Presidenten zeigend), frägt der mich noch, ob sie mein ist. (Schallendes Gelächter.) Präs.: Ick er­mahne Sie, fick kurz zu erklären und bei der Sache zu bleiben. Beruner: Wie haaßt? Wie soll ich bleiben bei der Sach, wenn se mer ist gestoblen? Js se dock aach nischt geblieben bei mir. Präs.: Sie mißverstehen mich. Sie erkennen die Waare als Ihr Eigenthum ? Beruner: Co scll ich gesund sein zehntausend Jahre wenn's nick ist, wie der Herr Persident sagen. Präs: Können Sie Ihre Aussage beschwören? Beruner: Können könnt ich Herr Pcrsident, oder mögen möcht ich nischt gern. Ich bin a alter Jüd und Hab schon verloren viel Geld, weil ich nischt mocht schwören Aber wissen Sc was, Hrr Persident (Zeuge zieht et- ncn schmierigen Geldbeutel aus der Tasche), wetten will^ännt , Ihnen, üm was Se wollen, daß die Moore meine ist. (Lchal- ^ lendcs Gelächter.) Der Präsident bezeigt indeß keine Lust, auz die L stelle einniochen und Sckavsel muß s chwören.

Me« von A. Vrtschtogkr