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Sekretären der Gesandten sämmtlicher Großmächte und Italiens begrüßt worden Das Journal de Constantinople sagt, die Pforte werde die Maßregeln Couza'8 als nicht getroffen ansehen; der Fürst habe Gelegenheit, sich über die Verletzung der europäischen Stipulationen zu rechtfertigen.
Frankreich. Paris, 10. Juni. Es wird versichert, daß der Antrag der drei deutschen Bevollmächtigten, welcher in der Sitzung der Conferen; vom 20. Mai auf die Lostrennung von Schleswig und Holstein von Dänemark gestellt wurde, zugleich die Kesammterllärung enthalte, daß die Anerkennung des Herzogs von Angnstenburg durch den Bund gesichert sei. — Der Herzog von Morny ist in besonderer Mission nach London gereist, wo er direkt mit Lord Palmerston verhandeln soll. Drouyn de Lhuys soll sich über diese Mission, von der er erst ziemlich spat Kenntnis! erhalten hätte, um so weniger erbaut gezeigt haben, als Morny bekanntlich wie Rouher in der Umgebung des Kaisers für seine erbittertsten Gegner gelten. — Gestern Morgen um 6 Uhr wurde, nachdem der Kaiser vorgestern das Begnadigungsgesuch des zum Tode verurtheilten Arztes de la Pommerais nicht genehmigt hatte, dessen Hinrichtung vor dem Gefängnisse de la Noquette im Beisein einer ungeheuren, schon seit Mitternacht zusammenge- stromten Menschenmenge vollzogen. — Wie man vernimmt, beabsichtigt Frau de la Pommerais in ein Kloster zu gehen. Sie ist schön und erst 26 Jahr alt, allein seit dem Beginne des Prozesses ist ihr Haar völlig gebleicht.
Schweiz. Bern, 7. Juni. So eben hat der Bundesrath die Einladungsschreiben an sämmtliche Staaten Europa'» zur Thcil- nahme an der in Gens abznhaltenden zweiten internationalen Conferenz für die Berathung der Organisation des Sanitätsdienstes in Kriegsfällen erlassen. Als Zeitpunkt für ihren Zusammentritt wird vom Bundesraih der Monat August vorgeschlagen.
Italic». Turin, 9. Juni. Das den Kammern vorgelegte Budget für 1865 schließt ab mit 913 Mill. Ausgaben gegen 625 Mill. Einnahmen, also mit einem Tefieit von 288 Mill. — l t. Juni. Nach Berichten aus Tunis sind die Beduinen geneigt, die Oberhoheit der Pforte anzuerkennen und die Abschaffung der Regentschaft zu verlängern. Tunesische Piraten haben einige Handelsschiffe angegriffen. — Nach der Gazzctta di Genova hätten die Türken Lust, in Tunis Truppen ans Land zusetzen, allein man versichert, daß das sranz Geschwader Befehl bat, selbst mit Gewalt eine Einmischung der Türken in die Angelegenheiten von Tunis zu verhindern. _
Der Hausarzt.
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(Fortsetzung.)
Ter Sonntag, der Tag des Herrn war gekommen. Eine reine, milde Frühlingssonne schien aus die Erde herab, die im strahlenden Blüthenschmucke ihren Schöpfer feierte. Die Glocken riesen feierlich zur Andacht in die Kirchen. Auch Doris verließ, einfach geschmückt, das Hans, bestieg den Wagen und fuhr zur Kirche. Sie wollte im Gebete Trost für ihr leidendes Herz suchen. Wehmüthig sah sie aus den leeren Platz an ihrer Seite, wo sonst Franz gesessen — der arme Mann stand heute in seinem Comptoir und arbeitete bei verschlossenen Thüren. Für ihn gab es keine Kirche, keine Gattin, kein Kind mehr. Die unglückliche Frau konnte sich der Thränen nicht erwehren; sie weinte über den nach ihrer Meinung geistig zerrütteten Gatten. Traurig gestimmt durch den Anblick so vieler glücklicher Menschen kehrte sie nach zwei Stunden zurück. Als sie die weite Hausflur betrat, öffnete sich die Thür, die zu den Comptoirs führte, und Franz, bleich wie ein Schatten, trat langsam heraus. Sein matter Blick siel aus Toris, die, einen Blumenstrauß und das Gebetbuch in der Hand tragend, tief erschüttert stehen geblieben war.
— Doris! hauchte er mit bebenden Lippen.
Sie trat ihm näher und reichte ihm mitleidig die Hand. Ein Thränenstrom rann über ihre bleichen Mangen, sie konnte vor Schmerz über das traurige Geschick ihres geliebten Gatten kaum das Wort „Franz" stammeln.
— Mein Gott! Mein Heiland! rief der Unglückliche.
Er wollte fliehen, aber ein mächtiges Gefühl hielt ihn zurück.
Dem Kampfe erliegend, sank er zu ihren Füßen nieder und drückte die Spitzen ihres Shawls an seine bleichen Lippen.
Doris umklammerte seinen Hals und drückte heiße Küsse aus sein braunes Haar.
— Franz, liebst Lu mich wieder? fragte sie i» rührenden Tönen. Hast du Lein Herz- mir wieder zugewendet? Franz, ich bin ja stets eine treue, liebende Gattin gewesen — Franz, habe Erbarmen mit meiner Seelenpein! Gedenke deines Kindes . . .
Er hob die Hände zum Himmel empor.
— Reiner Engel, rief er, ich habe dein Leben vergiftet, ich bin der Verräther deines Glückes. Verzeihe mir, ich bin unschuldig!
Dann riß er sich los und schwankte wie ein kranker Mensch die Treppe hinan.
— Unbegreiflich I flüsterte die arme Frau. Sein Geist muß krank, recht krank sein.
— Folgen Sie ihm nicht! rief eine Stimme.
Als Toris sich wandte, erblickte sie den Doktor Martini, der Zeuge der Scene gewesen war. Schweigend reichte er der weinenden Frau den Arm und führte sie in ihr Zimmer.
— Meine liebe Freundin, begann er mild, Sie haben Recht, wenn Sie Walburg für krank halten. Aber seine Krankheit ist nicht unheilbar, ich glaube, daß sie bald gehoben sein wird. Helfen Sie seinem Arzte, indem Sie ferner vermeiden, ihn heftig zu erregen und, was ich als eine Hauptsache bezeichne, schonen Sie sich selbst und fügen Sie sich nur kurze Zeit dem Unvermeidlichen, damit Sie nicht erkranken, wenn Ihr Mann genesen ist, und vertrauen Sie Ihrem alten Doktor, der schon Rath schaffen wird. Kehren Sie sich nicht an die Aeußerungen eines verirrten Geistes, wundern Sie sich aber auch nicht über die Mittel, die ich ergreifen werde. Demnach bleiben Sie ruhig in Ihrem Zimmer, und denken Sie, Franz sei verreist. Er wird wiederkommen, ich bringe ihn zurück. Dann schließt er Sie und sein Kind in die Arme, und die traurige Vergangenheit wird vergessen sein. Sie wissen, daß ich eine strenges Befolgung meiner Vorschriften sorvere. — Adieu, Doris, ich gehe zu unserem Kranken.
Der Greis ging über den Korridor und trat in ein Vorgemach, wo er dm alten Christian antras. Dieser berichtete, daß Walburg soeben gekommen sei und das Zimmer verschlossen habe. Sein guter Herr, fügte er hinzu, befinde sich in einem traurigen Zustande, denn er sei so angegriffen gewesen, daß er kaum die Schwelle habe überschreiten können. Der Doktor veranlaßt« den Diener, draußen aus dem Corridor zu warten, und Jedem, wer auch kommen möge, den Zutritt zu versagen. Kaum befand er sich allein, so klopfte er an dir Thür.
Walburg, öffnen Sie!
Es erfolgte keine Antwort. Ter Doktor wiederholte sein Klopfen und sein Rufen — umsonst — in dem Zimmer regte sich kein Laut.
— Ihr Arzt fordert Einlaß! rief der Greis, dem für Jen armen Kaufherrn zu bangen begann. Wenn Sie nicht öffnen,, lasse ich die Thür sprengen!
Jetzt ließen sich rasche und heftige Schritte vernehmen, und gleich daraus ward die Thür aufgerissen. Walburg stand an der Schwelle.
— Sie, Doktor, fragte er vorwurfsvoll, wollen meinen Hausfrieden stören?
—' Wie es meine Pflicht ist, ries zornig der alte Herr. Noch bin ich Ihr Hausarzt, und wie mir als solchem Pflichten obliegen, habe ich auch Rechte. Ich weiß aus Erfahrung, daß die eingebildeten Kranken die gefährlichsten sind, und Sie, mein Freund, sind ein Kranker dieser gefährlichen A't. Soll ick cs ruhig mit ansehen, daß Sie ein ausgemachter Hypochonder werden? O nein, Verehrter, mein Ruf als Arrt ist mir zu lieb, und ehe ich mir diesen untergraben lasse, gebe ich lieber meine Praxis in Ihrem Hause auf. Um Ihnen dieses zu sagen, hätte ich wahrlich die Thür zertrümmern lassen, wenn Sie nicht geöffnet Härten.
Der Arzt war eingetreten und hatte die hohe Flügelthür hinter sich geschlossen.
_ (Forts. folgt.)
Nagoldwärme. 11. Juni 12,0° k. 12. Juni 11,9° k 13 Juni 13,2° k.
Äcdigirr, gedruckt und verlegt von A. Velsch I ag er.