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„Worte des Rausches, denen man keinen Werth beilegen muß", erwiederte Marie. „Ich habe das zu beobachten in unserer Wirtschaft oft genug Gelegenheit gehabt." Es ist ein Traumzustand. Wie uns dieser oft Dinge vorsübrt, an die wir wacvend nie gedacht, so geht es auch dort. — Der Rausch verschwindet und mit ihm die Reellität alles dessen, was er vorgespiegelt. Deßhalb darf man Beleidigungen wie Liebesbeweise in diesem Zustande nur wie unbewußte Handlungen ansehen und sich dadurch weder beglücken noch erzürnen lassen."
Tbomar wollte dagegen doch Einwände erheben, Marie aber verschloß ihm zärtlich den Mund mit einem Kusse. „Wozu weiter über Dinge Nachdenken, die kein Nachdenken verdienen? Eine schöne Stunde würde uns darüber verloren gehen, die wir, und brächte unsere Ehe auch noch so viele, doch nie zurückrufen könnten. Weß- halb auch die Erste gleich mit Grübeleien verbittern? Morgen, lieber Freund, wirst Du mir selber zurusen: „Lu hattest Recht." Hast Du aber dann noch Ursache, darüber nachzudcnlen, nun so will ich Dir treulich mit denken helfen."
„Es sei; aber —"
„Bist Du auch einer von den „Aber"-Männern, die sich unbedingt nicht zur Ruhe geben und dadurch manchen schönen Genuß des gegenwärtigen Augenblicks verkümmern? Geh, laß es und glaube mir: ich weiß, waS ich von solchem Geschwätz zu halten habe. — Müde, um zu Belte zu gehen, bin ich eigentlich noch nicht. Ich bin gewohnt, den Tag über zu arbeiten, und heute Hube ich nichts gethan. .Laß uns alles noch schnell bei Seite räumen, wenn dann morgen der Vater, der gewöhnlich sehr früh aufsteht, wie Du weißt, herabkömmt, findet er die größte Ordnung und freut sich. Er behauptet: ist die junge Frau am Morgen nach der Hochzeit recht früh bei der Hand, ist das ein Zeichen für das gute Gedeihen der jungen Wirthschaft. Bis zwölf Uhr kommen wir doch zu Bett und her Vater mag dann glauben, ich hätte das Alles ganz früh schon bei. Seite geschafft und geordnet."
Beide legten nun Hand an. Marie hatte Recht gehabt, gerade zwölf Uhr schlug es, als Alles bei Seite geschafft war, und mit heiterem aber doch bewegtem Tone sagte sie:
„Mit der ersten Minute des neuen Tages beginnt unsere Ruhe, wie es sonst gewöhnlich der Fall war, als unser Gasthaus noch besucht wurde. Möge mit dem heutigen Tage der Bann von uns genommen sein und die Gäste wieder reichlicher bei uns ein- kehrcn., dann denke ich, wird es uns einst recht wohl ergehen, so wohl wie dem Vater. Die Gewohnheit übt doch eine unwiderstehliche Macht über den Menschen aus, vorher noch so munter, meldet sich jetzt der Schlaf und drückt gewaltig auf die Augenlider, denn sie sind gewohnt, sich stets um diese Zeit zu schließen." Sie ergriff ihres Mannes Hand und Beide schritten in ihr Zimmer.
Hier kosten sie noch eine kurze Zeit, waren aber dabei doch -mit dem Auskleiden beschäftigt. Plötzlich ertönt ein schwerer Fall über ihnen in des alten Lange Zimmer. Die natürliche Beschluß, dem Later könne etwas zugestoßen sein, bringt sie schnell lieber in die abgeworfenen Kleider und hinauf in dessen Zimmer.
Mit größter Hast öffnen sie die Thüre. Welcher Anblick! — Der alte Lange, der kräftige, starke Mann, liegt außerhalb des Bettes , starr und leblos aus dem Boden, ein schwaches Röcheln nur zeigt, daß er noch nicht völlig verschieden sei. Thomar stiegt zu dem Alten, erhebt ihn und legt ihn wieder auf das Bett. Marie eilt hinunter, bringt Essig herbei, hält ihm denselben unter die Nase, reibt Stirn und Hände des Vaters damit ein — doch vergebens — nichts als ein gedrängter Athem quillt noch aus der Brust bervor, der ganze Körper bleibt regungslos.
„Vater, lieber, theurer Vaterl Hörst Tu denn Deine Marie .-nicht mehr?" rust sie weinend und umschlingt des Vaters Hals.
Ta öffnet der alte Lange die geschlossenen Augen, starrt sie an und man sieht, daß noch Besinnung in ihm ist, daß er sprechen will, daß ihm die Zunge den Dienst versagt. Tie Lippen fangen an sich zu regen, unartikulirte Laute, kein verständliches Wort kommt hervor.
„Ein Doktor, um Gotteswillen ein Doktor!" schreit Marie in Verzweiflung. — Thomar fliegt eiligst zur Thüre hinaus und dem Städtchen zu.
Marie drückt inniger des geliebten Vaters Haupt au ihre B rust und jammert: „O stirb nicht geliebter Vater — je tzt nicht!
— O mein Gott, das wäre ja zu schrecklich für Deine Tochter. Mein Hochzeitstag, Dein Todestag — das wäre auch der Todestag meines Glückes! Rette, o rette ihn allgütiger Himmel!" flehte sie, den Blick nah oben gerichtet und den Vater dann wieder inbrünstig küssend, rief sie: „Erwache, geliebter Later, erwache um Deines Kindes willen, es wäre ja zu gräßlich, wenn Du gerade jetzt von ihm scheiden wolltest!"
Doch der Vater blieb stumm, die Augen waren zwar weit geöffnet und starrten sie an, aber sie waren auch starr, bewegungslos wie der ganze Körper.
Marie legte den Kopf des Vaters an ihre warme, pochende Brust, an ihr ängstlich schlagendes Herz. Sie küßte ihn so glühend, daß er durchwärmt werden mußte, wenn nur noch einiges Leben in ihm war, - und siehe da, urplötzlich schien es als ob ihr Flehen den Himmel erbarmt hätte, als ob das ziemlich erloschene Leben wieder zurückkehren wollte; denn die Augen des alten Lange wurden wieder lebendiger, die Lippen fingen an sich zu regen, unverständliche Laute drangen zuerst hervor; doch so leise, daß sie das feinste Ohr kaum vernehmen konnte. Marie legte nun ihr Ohr an des Vaters Mund — ein warmer Athem drang daraus hervor — sie hörte leise, abgebrochene, unverständliche Worte — etwas deutlicher kam das Wort „Futter" hervor — demselben folgte nach kurzer Pause „ist" und in kleinem Zwischenräume hörte sie noch ein „e" Verhallen.
Es war gewiß, daß der Alte mehr als das gesagt hatte, da sich die Lippen fortwährend bewegten und die Augen dabei sehr belebt waren ; aber es war unmöglich auch nur das Geringste weiter zu verstehen. Mit dem Hauche „e" schien auch der letzte Lc- benshauch zu entfliehen — die Augenlider fielen wieder zu — die Lippen hörten auf sich zn bewegen — der Kopf sank wie leblos zurück — die ganze Gestalt streckte sich — Marie hielt eine Leiche in den Armen.
Als sie dessen inne wurde, warf sie sich über den Vater, bedeckte dessen Mund mit unzähligen Küssen und schrie: „O nur noch ein einziges Mal erwache, geliebter Vater! Nur noch ein Abschieds-, ein Segenswort Deiner Tochter! — Umsonst! des alten Lange Herz hatte ausgeschlagen, der erste so glücklich geträumte Tag ihrer Ehe sollte ein Trauertag werden, der ewig in ihrem Herzen wiederhallte und dessen Wiederkehr ihr stets in's Gedächt- niß rufen sollte, was sie an diesem Tage verlor.
Als Thomar mit dem Doktor eintrat, blieb diesem nur noch die Obduction vorzunehmen. Ein jäher Schlaganfall hatte deS Alten Ted herbcigesührt.
Marie war in Verzweiflung. Thomar entfernte sie gewaltsam von des Vaters Leiche, aber wohl wissend, daß Trostesworte an unsäglichem Schmerze abprallcn, überließ er sie dann sich selbst. Erst als sie die lindernde Wohlthat großer Thränenströme empsun den hatte, ward sie etwas ruhiger und lieh auch den TrosteSwvr- tcn des geliebten Gatten ein willigeres Ohr.
(Foris-tznng folgt.)
(Glücklicher Einfall.) Der verstorbene Marschall Bosquet diente, als er noch Artilleriecapitain war, in Algerien unter dem Gcneralgouverneur Marschall Bugcaud, welcher den damals noch jungen Offizier nicht recht leiden konnte, weil dieser nicht alle Maßregeln seines Vorgesetzten billigte und sich nicht scheute, dicß offen auszusprechcn. Er wurde deßhalb auch beim Avanccmcuk mehrmals übergangen, obwohl er sich bei einigen Gelegenheiten glänzend ausgezeichnet hatte. Eine geistreiche Bemerkung sollte ihm die ganze Gunst seines Chefs wiedergewinncn. Als auf einem Balle der junge Capitain sich dem Marschall näherte, um ihn zu begrüßen, wendete sich dieser vor den Augen von zwanzig Personen plötzlich um und kehrte ihm den Rücken zu. — „Herr Marschall," sagte Bosquet, „ich glaubte bisher, Sie rechneten mich zu Ihren Gegnern; diesen Augenblick bemerke ich zu meiner Freude, daß dem nicht so ist." — „Wie so, Herr Capitain?" — „Weil Sie nicht gewohnt sind, dem Feinde den Rücken zuzukchren." — Der Marschall reichte dem Capitain augenblicklich die Hand, schüttelte sie ihm mit Herzlichkeit und vierzehn Tage darauf war BoS- quei Bataillonschef.
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