An unsere Mitbürger!

Die Wahl eines Abgeordneten zur Stände-Versammlung war von jeher einer der wichtigsten Acte , im bürgerlichen Leben und die bevor­stehende Wahl ershemt uns wichtig genug, um eine offene, freimüthige Ansprache an unsere Mitbürger zu rechtfertigen.

Nachdem, wie wir hören, eine Anzahl Männer Herrn Stadtschult­heiß Schuldt zur Bewerbung aus­gefordert, und dieser zugesagt haben soll, und da, wie verlautet, Listen zu weiteren Beitritts-Erklärungen in Umlauf gesetzt werden sollen, so halten wir für billig, daß denjeni­gen unserer Mitbürger, welche zu jener Besprechung nicht eingeladen wurden und daher ihre abweichende Ansicht nicht geltend machen konn­ten, ebenfalls Gelegenheit gegeben! werde, sich hierüber auszusprechen. Dieß anzubahnen ist der Zweck un­serer Ansprache.

Wir sind weit entfernt, Herrn Schuldt die Ehre, der Vertreter unseres Bezirks zu sein, mißgönnen, oder gar seine Befähigung zur wür­digen Bekleidung dieses Postens in Frage stellen zu wollen, allein es treten uns Bedenken entgegen, über welche wir nicht hinwegkommen können.

Herr Schuldt war ohne Zweifel von einem sehr richtigen Takt gelei­tet, als er vor 6 Jahren aus An­laß der damaligen Abgcordnetenwahl erklärte, daß er es im Interesse der hiesigen Gemeinde für seine Pflicht halte, von einer Bewerbung abzu­stehen, weil er besser als mancher Andere aus Erfahrung wußte, daß länger dauernde Amtsverwesereien nicht dazu geeignet sind, das Wohl der Gemeinde zu fördern.

Wir wollen nicht untersuchen, ob und inwiefern sich die Verhält­nisse seit damals geändert haben, wir unseres Theils sind der festen Ueberzeugung, daß eine Aenderung in denselben nicht eingetreten ist, und müßten deßhalb um so mehr bedauern, wenn Herr Schuldt seine Ansicht inzwischen geändert haben sollte.

Wenn Amtsverwesereien in ruhi­gen Zeiten nichts taugen, wie soll es dann in unruhigen sein? Denn wer vermag uns dafür zu bürgen, daß nicht bald wieder eine bewegte Zeit eintreten könnte, und wer wollte behaupten, daß namentlich gegenwär­tig der politische Horizont so klar sei, daß wir uns für mehrere Jahre vor Stürmen ganz sicher fühlen dürsten? Die Ereignisse des Jahres 1859 lagen in Niemandens Berech­nung, und doch hätten sie uns hier sehr bewegte Tage bringen können, an welchen wir den bewährten Orts­vorstand nicht gerne entbehrt hätten. Hält man uns Beispiele von andern Städten, als Ulm, Reutlingen re. entgegen, so erwiedern wir, daß die Verhältnisse nicht überall die gleichen sind, und führen als Gegenstück an, daß in unserer Nachbarstadt Pforz­heim der erste der beiden Bürger­meister erst vor Kurzem wieder eine Wahl, die einstimmig auf ihn ge­fallen wäre, im Interesse der Ge­meinde abgelehnt hat, obgleich ein zweiter Bürgermeister, also ein na­türlicher Stellvertreter, da ist.

Durch die Erwählung des Herrn Schuldt würde die Stadt Ealw dem Bezirk ein Opfer bringen. Auch wir könnten uns am Ende dazu verstehen, unsere Ueberzeugung zum Opfer zu bringen, jedoch nur in dem äußersten Fall, wenn es nicht mög­lich wäce, im Bezirke einen andern tüchtigen Mann zu finden, da aber noch ein Candidat in der Person des Herrn Eugen Horlacher vorhanden ist, der Herrn Schuldt an Tüchtigkeit in keiner Beziehung Nachsicht, so halten wir ein solches Opfer für gänzlich ungerechtfertigt, und wir müßten unsere Bürgerpflicht für verletzt erachten, wenn wir nicht der Candidatur des Herrn Schuldt aus den angeführten Gründen ent­schieden entgcgentreten würden.

Herrn Horlacher brauchen wir nicht noch besonders zu empfehlen, er ist jedem Wähler als ein durch und durch ehrenhafter, unabhängi­ger Mann bekannt, der mit ent­schieden freisinnigen Grundsätzen ru­hige Besonnenheit verbindet, und da

Herr.Schuldt, wie dessen Freurtde behaupten, in den meisten Fragen mit ihm einverstanden sein soll, so finden wir auch von diesem Gesichts­punkt aus betrachtet, keinen Grund, von Herrn Horlacher abzugehen.

Endlich können wir uns von dem Grundsatz nicht trennen, daß Staats- und Gemeindebeamte sich in den seltensten Fällen die nöthige Unabhängigkeit zu bewahren im Stande sind, um die Interessen des Volks gegenüber der Regierung zu vertheidigen.

Wir laden unsere Mitbürger ein, sich an uns anzuschließen, und dieß durch Unterzeichnung der zu diesem Zweck von uns in Umlauf gesetzt werdenden Listen auszusprechen.

Calw, 4. November 1861.

Beißer, Louis.

Beißer, Georg.

Bvzenhardt, Carl, Rothg.

Bozenhardt, Chr., Kfm.

Bozenhardt, Chr., Rothg.

Bozenhardt, Wilh.

Dingler, L.

Dreiß, Martin.

Federhaff, Louis.

Georgii, Emil.

Georgii, F.

Hammer, Chr.

Haydt, G.

Heiler, C. W. utten, Heim, eller, I.

Kirchherr, Carl.

Kirchherr, Chr.

Köhler, Fr.

Leonhardt, Carl.

Müller, Carl.

Müller, Fr.

Ritter, A.

Schäfer, Mart. Schlatterer, W.

Schmidt, Ludw. Schnaufer, Aug. Schnaufer, Fr.

Thudium, G.

Wagner, Gust. Fr.

Weil, Friede.

Wetzel, A.

Wochele, Friedr.

Wochele, Jakob.