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Unterhaltendes. Schnee und Feuer.
Novelle von Louise Otto.
(Aus den „Feierstunden".)
(Fortsetzung.!
Herr von Blumenstein war et» waö nachdenklich bei dieser Bemerkung, doch verrielh er nur durch ein verächtliches Zucken mit Mund und Nase, welche Empfindungen entweder diese Erklärung oder derNaniLOppen- heimö in ihm weckte — erst später deutete er an, daß er mit dem Fabrikanten keineswegs auf freundschaftlichem Fuße stehe. Er gab sogar in herablassender Weise Oswald den Rath, wenn er selbst diesen Herrn nicht besser kenne, sich in jeder Beziehung vor ihm zu hüten.
Ein Augenwink Henriettens für den Garten ging dabei ziemlich verloren. —
Oswald behauptete eine diplomatischere Haltung als der Aristokrat — Wi derhall erklärte er, daß er den Verhältnissen so fremd sei, wie der Gegend, und nur dem Rufe gefolgt, der ihm geworden.
„Daß man Sie zu einer solchen Terrainaufnahme schon jetzt hierher beschieden," sagte Blumenstein, „ist ein neuer Beweis dafür, wie diese Industriellen nicht nur ihre Maschinen, sondern auch die Menschen und Naiurkräfle zu blindem Gehorsam zwingen wollen — daß es hier im Gebirge nie zu einem zeitigen Frühjahr kommt, weiß jedes Kind - ist es einmal scheinbar so, dann kommt immer ein Nachwinter wie der heutige, und es ist unmöglich vor Ende April Arbeiten gleich den Ihrigen vorzunehmen."
„Ein Nachwinter?" fragte Oswald, „ich nehme daS heutige Wetter nur für .einen derben Aprilscherz!"
„Der aber seine acht bis vierzehn Tage dauern kann," sagte der welterkundige Gutsherr; „unter ein paar Tagen hört cs nicht auf zu schneien."
„Das hat auch Josephine schon gesagt," bestätigte Henriette, „die .cn Schnee schon in ihren Glieder»
fühlt, ehe er fällt — darum war sie heute so voll Angst und Aufregung, und sagte schon am Morgen zu mir: es bereite sich entweder etwas ganz Außergewöhnliches in der Atmosphäre vor, oder es drohe ikr ein Unglück!"
Mehr als Alles vervollständigten diese Worte Oswald das Bild Jvsephinens in seiner Erinnerung. So also war sie immer noch! so ahnungsvoll und zart besaitet, voll prophetischer Borempfindungen. So hatte er sie einst kenne» gelernt und so fand er jetzt sie wieder! - Beinahe hätte er jetzt durch eine zustimmenbe Bemerkung vcrcathen, wie genau er sie kannte — nur mit Mühe hielt er diese und weitere Fragen zurück.
So waren zwei Stunden ziemlich gut vergangen. Das gastfreundliche Ehepaar zeigte sich heiler und gesprächig nach Art von Personen, die gern gesellig leben, und nur durch ein thcilweises einsames Wohnen darauf verzichten müssen. Sie freuten sich offenbar eine Unterhal tung zu haben, und da sie in Oswald einen Mann zugleich von feiner und von wissenschaftlicher Bildung fanden, so setzten sie sich auch darüber hinweg, daß er ein Bürgerlicher war — ob sie gerade, weil ober trotzdem, daß er zu ihrem Nachbar Oppenheim wollte, ihm eine möglichst gute Meinung von sich selbst beizubringen bemüht waren, luß sich nicht so leicht bestimmen. Vielleicht wirkten hier zwei Faktoren zugleich.
Endlich sagte die Hausfrau, als zehn Uhr vorüber war: „Unser erwarteter Gast kommt min sicher nicht, und so mag es sich in dem für ihn bereiteten Zimmer der Unerwartete gefallen lasten. Sie werden müde sein, Herr Stammer, und ich wünsche Ihnen eine angenehme Nachtruhe."
Auf ein Klingelzeichen erschien der Diener, der Oswald geleitete, als sich dieser mit nochmaligem Dank für heute empfohlen. —
III.
AIS Oswald allein war in dem angewiesenen Zimmer, überlegte er
noch einmal, ob er nicht nur von Josephine geträumt — es war ihm ja doch mehr als einmal geschehen
— warum nicht heute?
Halb gedankenlos, halb gedankenvoll sah er sich überall um in dem angenehm erwärmten und wohnlich eingerichteten Gemach.
Da stand auf einem Marmor- pfeileriisch unter dem Spiegel eine Vase mit Blumen. Zum Theil schienen sie aus einem Gewächshaus zu stammen — aber es befanden sich auch die Erstlinge deö Frühlings darunter: Schneeglöckchen und Märzveilchen und die Blüthenschäfchen der Haseln und Weiden - solche Sträuße hatte ihm einst Josephine gebunden. Wehmüthig betrachtete er ihn — da fielen seine Augen auf eine neue gestickte Brieftasche, die darunter lag — er betrachtete und öffnete sie, da stand innen: Josephine von Holkenberg.
Das war nickt nur ihr Name, es war ihre Handschrift, ihre Art zu sticken — ibr ganzes Wesen hatte er vergegenwärtigt vor sich in diesen Zeichen ihrer Liebe, die nicht mehr ihm, die einem Andern galt. —
Eine Eifersucht, zu der er schon lange selbst sich jedes Necht verwirkt, bemächtigte sich seiner — und war es denn nicht der fürchterlichste Hohn des Geschickes, der ihn hierher und gerade in dieß Zimmer führte, das für Jvsephinens Bräutigam bestimmt war, und in das sie wahrscheinlich eigenhändig diese Gabe» gelegt, durch die sie ihm eine zarte Uebciraschung bereiten wollte? Wer war dieser Herr von Planer?' Wahrscheinlich ein Krautjunker aus der Nachbarschaft, der vielleicht lieber ein armes Mädchen vom Adel bcirathct, als eine Tochter der bürgerlichen Gutsbesitzer der Umgegend
— und vielleicht reichte auÄ sie ihm nur die Hand um gnädige Frau zu werden, und hatte wohl gar nur darum so lange gewaltet, che sie zu einer Verbindung schritt, bis ein H.rr von — fick fand! So dachte sich Oswald selbst immer mehr in die Bitterkeit hinein — dann aber schlug seine Stimmung wieder in