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und ein Herr in mittleren Jahren trat ein — er trug feine, aber etwas abgenutzte Hauskleidung von nickt ganz neuem Schnitt — indem er vornehin grüßte, drehte er in aufreckt stehender, militärischer Haltung seinen Scknurrbart, zwinkerte die kleinen Augen zusammen unv sagte zu Oswald, der sich verbeugend sein Kommen zu so später Stunde entschuldigte :
„Mein Schloß steht immer, zumal in so unfreundlicher Nacht, jedem Wanderer offen — wie selten es auch Vorkommen mag, daß sick Jemand, zumal in solcher Jahreszeit, zu unS verirrt — aber ich will nicht fürchten, daß Sie nicht etwa eine Hiobspost von Herrn von Planer zu bringen haben?"
Oswalds Befremden stieg bei diesen Worten — er hatte schon hoch aufgeborcht, als er von einem „Schloß" sprechen hörte. — „Ick muß einen Jrrthum fürchten — vielleicht gar eine Jrrwanderung" — sagte er — „ich bin hier nickt in der Fabrik des Herrn Oppenheim, der mich erwartet?"
„Nein, wahrhaftig, das sind Sie nicht, sondern in Schloß Blumenstein , , dessen Besitzer Sie in mir sehen" — sagte dieser und batte bei Erwähnung der Fabrik eine ungleich hochmüihigcre Miene als früher angenommen. —
Oswald erzählte mm, wie er sich verirrt haben mockte — vielleicht falsch gewiesen durch den Wirth, der bei der Frage nach Blumenbain
— Blumenstein verstanden haben mochte. —
Blumenstlin lächelte geringschätzend. — „Solch' ein Jrrthum ist sehr erklärlich und hätte nickt Vorkommen können, wenn riese Industriellen ihre Arroganz nickt bis zur Lächerlichkeit trieben — um für sein Etablissement einen Namen zu haben, hat er cs Blumenhain genannt
— kein Mensch aberkenntoderbraucht den Namen hier in der Gegend — er crtstirt nur auf den Signaturen von Herrn Oppenheims Fabrikaten —"
Im Stillen schon aufgebracht über diese abspreckende Art eines wie es schien-eifersüchtigen oder mißtrauischen aristokratischen Nachbars, sagte Oswald: „Dann darf ich wohl um eine genaue Beschreibung des Weges nach der Fabrik bitten?"
„Morgen werde ich Ihnen einen Führer mitgeben," antwortete der Sckloßkerr mit erneuter Herablassung —- „wenn unser Grundbesitz auch aneinander grenzt, so könnten Sie doch die Fabrik unter zwei Stunden nicht erreichen, und für diese Nacht und .unter solchem Wetter müssen Sie schon unser Gast bleichen — folgen Sie Pr zu meinen Damen, die ohnehin noch vergeblich einen Gast erwarten —"
Oswald nahm die Einladung zum llcbcrnachten twar dankend an, bemerkte aber, daß er fürchten müsse, den Damen eine doppelt unangenehme Erscheinung zu sein, wenn sie, statt einen sehnlich Erwarteten zu bcwillkommen, ihn an dessen Stille sehen müßten — er habe schon vorhin davon eine Probe empfangen. —
„Nun, so kennen Sie ja schon das Terrain," lächelte Blumenstein, „die Cousine meiner Gemahlin wird Entschuldigung bei Ihnen finden, wenn ich Ihnen sage, daß sie hinablief, einen mit Sehnsucht erwarteten Bräutigam zu begrüßen, und nun einen fremden Herrn fand — bitte, treten Sie ein!"
Damit sah sich Oswald durch ein kleines anstoßendes Cabinet in ein geschmackvolles und trauliches Wohnzimmer geführt, in dem die Frau vom Hause an einem wohlbesetzten Thceiisch saß, der für mehrere Personen hergericktet schien.
Blumenstein stellte den Ingenieur Stammer seiner Gemahlin vor, dieser erzählte noch einmal, wie er sich zugleich ge- und verirrt, und fand freundliche lächelnde Theilnahme bei der zuvorkommenden Wirthin. — „ Wo ist Josephine ? " fragte Blumenstein. —
„Sie hat sich auf ihr Zimmer zurückgezogen," erklärte seines Ge
mahlin, „und will nun lieber allein sein — ich begreife das!"
Blumenstetn schüttelte mit dem Kopfe. — „Die Damen sind und bleiben dock wunderliche Geschöpfe
— sie versetzen sich immerwährend selbst ganz unnützer Weise in nervöse Aufreizungen, und nachher geben sie gern den Männer» die Schuld oder lassen doch wenigstens ihre Verstimmung an ihnen aus."
Henriette, die Gattin, drohte lächelnd mit dem Finger und nahm sogleich Partei für die Abwesende: „Sind wir voll Unruhe, indem wir Euch erwarten, so sind wir in Euern Augen nervös, können wir aber gleichgiltiger Zusehen, so nennt Ihr uns herzlos und unwetblich."
„Ich bedanre," sagte Oswald, „das gnädige Fräulein durch mein Kommen auch noch getäuscht zu haben!"
- „Sie ängstet sich nur, He'rr von Planer, den sic heute mit Bestimmtheit erwartete, könne in diesem Nachtwintersturm ein Unglück genommen haben."
Oswald suchte darüber zu beruhigen und hielt das ganz für unwahrscheinlich — dann kam er wieder auf sich selbst zu sprechen, erzählte, baß er zum ersten Male in dieser Gegend sei, daß er sich bei dem begonnenen Frühlingswetter besonder» Genuß von einer Fußtour versprochen, die ihn nun so in den Schnee geführt; daß er Herrn Oppenheim auch nicht persönlich kenne, sondern ihm nur zur Leitung seiner Nivelllruiigsarbeiten empfohlen sei. — (Forts, folgt).
Frankfurter Gold-Cours dom 2. Oktober.
ff kr.
Pistoten'.S 38-3»
Fricdriched'or . . . . » 56—57
Holland. 10 fl.-Stücke . S 44 -45 Nand-Dukatcn. ... 5 32',—33'!, 26-Frankcnstücke ...» 26—21 Lagt. Sovereigns ... II 48—52 Preußische Kassenscheine I 45 —sf,
Gottesdienste.
Sonntag, den 6. Oktober:
Vorm. (Predigt): Hr. Dekan Heberte.
— Kinderlehrc mit den Sobiien 2. Klaffe.
— Nachm. (Bibelstd.): Hr. ör. Gundert.
Ncdigirt, gedruckt und verlegt von Ä. Oetschläger
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