Literarisches. 1
Wir glauben den Lesern unseres Blattes, und namentlich den Besitzern deS so weit verbreiteten Werkes: „Württemberg wie es war und ist", einen nicht unwillkommenen Dienst zu erweisen, wenn wir ihre Aufmerksamkeit aus ein, dem eben aeuannten nach Form und Inhalt vielfach ähnliches Werk hinlenken, das unter dem Titel: „Württembergs Vorzeit und Gegenwart, in historisch-romantischen Erzählungen", soeben im Verlage von E. Fischbaber in Stuttgart (Calwcrstraße Nro. 52) erscheint.
- Bei recht hübscher äußerer Ausstattung muß der Preis von nur 6 kr. per Heft gewiß ein ganz ungewöhnlich billiger genannt werden; dabei ist der Inhalt sehr mannigfaltig; er verbreitet sich über alle Gegenden Württembergs. Die bis jetzt erschienenen tOHefte bringen: über „Stuttgarts Vorzeit" zwei äußerst ansprechende Erzählungen „die Stiftung des Oelbergs vor der St. Leonhardskirche" und „das Herr-segne- nns - Glöcklein ans dem kleinen Stistökirchenthnrm", nebsteingefloch- tenen Notizen über den h. Urban, der, neben dem Lichte des Evangeliums , auch den Weinstock Zuerst nach Württemberg verpflanzte. Beide Erzählungen schildern in ebenso kunstloser als anziehender Sprache den Ursprung dieser Stiftungen frommen Dankes, so daß unö in der That die Wahl schwer wird, welcher von ihnen wir den Voirang einräumcn sollen. Die tragische Erzählung „der Todtenkopf" spielt auf der Veste Hohentwiel, zur Zeit des tapfern Eommandanten Wirerhold, und schildert mit lebhaften Farben die Qualen eines schuldbeladen n Gewissens. „Landgraf Raspo vor Ulm" be bandelt die wunderbare Rettung dieser Stadt aus großer Vedrängniß durch einen armen Fischer, der, Geld und Gut als Preis für seine patriotische That verschmähend, den, früher für unerreichbar gehaltenen Besitz eines geliebten Wesens vorzog und auch erreichte. Nach Franken führt uns de r beliebte Historiker und Volks-1 ------- """"" NeU
schriflsteller Scdönhuth in der Erzählung „das Wappen der Secken- dorse", eines bekannten, noch jetzt in Württemberg und Baiern blühenden Adelsgeschlechtes. Die größere Erzählung „die Rose von Stuttgart", behandelt in ebenso spannender als ansprechender Weise eine Episode ans der Regierungszeit des ersten Königs von Württemberg, mit Vorführung mancher auch jetzt noch nicht vergessener Persönlichkeiten. An die Gestade des Neckars, nach der ehemaligen R'ichsstadt Heilbronn, nach Schloß Horneck, in dessen unterirdischen Gewölben die heilige Vehme zu Gerichte saß, und auf den benachbarten Hornberg, den nachmaligen Sitz Götzens von Berlichin- gen, führt „ns „des Waffenschmids Töchterlein". Die sehr interessante, etwas tragische Erzählung „das Mädchen vom See", womit der erste Band schließt, versetzt uns ab- wechslnngsweise in die Deuischordens- Rcsivenz Mergentheim und an die reizenden Gestade des Bodensee's und zeigt uns eine Episode aus dem Leben des ritterlichen und galanten Kaisers Marimilian l. — Wir glauben, nach dem hier Angeführten, dem Unternehmer die erfreulichste Theil- nahme bei allen Klassen der Gesellschaft versprechen zu können, deren es bei seinem mannigfaltigen, anziehenden Inhalte und seiner außerordentlichen Wohlfeilheit in der That auch würdig ist.
Unterhaltendes.
Ein ehrlicher Betrüger.
(Ans den „Feierstunden".)
(Fortsetzung.)
Der Unbekannte schritt der Thürc zu. Ter Minutenzeiger stand bereits auf dreiviertel auf sechs Uhr.
„Gcthau, was Sie versprochen haben?" Wiederholte ich, indem ich anfstand, um ihn zurückzuhallen.
„Ja," sagte er, nut der Hand bereits auf der Klinke. „Ich habe meine Botschaft ausgericktet. Denken Sie daran, was auch geschehen
möge. Guten Abend."_
girt g-rrnckt und verlegt von A. Oclschlä
„Er war fort, ehr ich wieder sprechen konnte. Ich versuchte ihm nachzurufen; aber meine Lippen braun» teu, und die Worte schienen auf denselben zu ersterben. In dem letzten Satze deS Mannes hatte eiwas Mystisches gelegen, das mich über die Maßen beunruhigte.
„Ich blickte auf die Uhr. Wieder war der Zeiger um zwei Minuten weiter gerückt. Mein Comptoir lag fern genug von rem Bankierhause, um eine» augenblicklichen Entschluß nolhwendig zu machen. Was sollte ich thun? Wäre mir Zeit zum Ueberlegen geblieben, so bin ich vollkommen überzeugt, baß ich der seltsamen Warnung nicht Folge geleistet hätte. Das zweideutige Aeußere und Wesen des Fremden, die absolute Uuwahrscheinlichkeit, die in der Warnung lag, dem ersten, geachtetsten Bankierhause Londons zu mißtrauen; die Möglichkeit, baß dieses Verfahren der Versuch eines Neiders sei, mich meinem wohlwollensten Freunde zu entfremden, indem ich seiner Firma ein ungegründetes, ja lächerliches Mißtrauen bewies, alle diese Gedanken würden unfehlbar in mir aufge- stiegen sein, wäre mir Muße zum Nachdenken vergönnt gewesen, und dann würde ich natürlich nicht einen Pfennig aus der Firma herausgc- zogen haben.
„Wie die Sache nun aber lag, blieb mir nur kürzeste Frist zu schnellem Handeln und keine Sekunde zum Ueberlegen. Durch einige große Summen, die ich am Anfang der Woche zu bezahlen gehabt, war mein Conto so geschmälert, daß ich kaum mehr als fünfzehnhundert Pfund dort stehen halte. Sofort schrieb ich einen Wechsel über die ganze Summe auS, und hieß einen meiner Commis so schnell als möglich zu m inen, Bankier eilen, um das Geld einzukassiren, che das Geschäft geschlossen würde. Ich handelte mechanisch, ans unerklärlicher unbestimmter Furch!, die des Fremden letzte Worte in mir heraufbeschworen hatten. Kaum wußte ich, was ich that.