!V8. Ln eine geschlossene Gesell­schaft kann man nur gehen, wenn man ausdrücklich ringelnden ist.

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Brand des Auswanderer- LchiffsSt. Georg" auf der Reise von Liverpool nach NewUork.

Am 4 Januar, früh 5 Uhr, gelaun­te in den Hafen von Havre der ameri­kanische DreimasterOrlando" von Mobile, an dessen Bord sich die Mann­schaft und ein Theil (76) der Passa­giere des im Meere verbrannten ameri­kanischen DreimastersSt. Georg" , Kapitän Bairson, befanden. Folgen­des sind »ach den authentischen Belich­ten der Kapitäne, mehr aber noch nach den sehr glaubwürdigen Erzählungen der sechs geretteten Deutschen die De­tails der beklageuswertheu, furchtbaren Katastrophe.

DaS Packetfchiffst der St. Georg, rft am 24. November von Liverpool nach Neuyork abgegangcn, befrachtet nutz emer vollem Ladung von Waareu,. 12.? Auswanderern uud einer Equipa­ge von 25 Personen. Die Passagiere waren 12H Irländer, darunter sehr viele Frauenzimmer uud Kinder, 1 Engländerund 6 Deutsche Ungeach­tet Zer widrigen Winde war doch die Fahrt nicht ungünstig, ais mau am 24. Dezember Morgens unterem 40° 12" nördlicher Breite und 25» 30" westlicher Länge, wabrnahm, daß im Keller des Schiffes Feuer auögebro- chen sei. Man öffnete eine Luke, dar« auf eine zweite, um mit der Feuersprize das Feuer zu löschen oder weuigstens seine Ausbreitung zu verhindern, allein es Hatto im Hintergrund deS Schiffes so schnell um sich gegriffen und der Rauch im Zwischendeck war so erttsez- iich, daß Jedermann sich aufs Berbeck flüchten wußte, nrit Hinterlassung von acht Erstickten! Es war um 9 Uhr Morgens, als der Kapitän die Anstal­ten zur Löschung des Brandes ciiistell- tze uud da er während eines gro­ßen- Unwetters zu seiner Seite ein Schiff, bemerkte die Nochsignale aus- siückM liest.

Dieses Schiff warOrlando". Schm. ML zehn Uhr war er nahe am.

brennenden Schiffe. Obschon die un-theucr erkaufte zweite Kajüte vollgr- glücklichen Passagiere au der Bemeisicr- stopft hatte, obschou sie in's Zwischen - uug deS Feuers nickt verzweifelten, deck gehörten! Man höre die Erzähl­ließ dock der Kapitän des Sr. Georg ungeu der sechs Deutschen über den seine bciven Schaluppe» anssezcn und^Be^NIg, ver ihnen in den Bureaur in

verließ schrvcigenL mit seiner Equipa ge (Malrofen aiiSgcnommeii) sein chiff und rctlete fick aus den Orlan­do! Nun dauerte der Ne tt n n g s pr o- zeß der beklagenSwenhen Passagiere 64 Stund e n und kein Kapitän, kein Steuermann dirigirte aus der» brennen­den Schiffe, ja anstatt vier Schalup­pen zu beniize», kam nur eine einzige (daS Lise-Boat) mir vier Matrosen be­mannt, welches nur vier bis fünf Per­sonen ans einmal aufnehmcn konnte!

Entsezljch war der Kamps, der sich entspann, indem ein Jever zuerst sickss

Liverpool auch hinsichtlich der Lebens­mittel gespielt wurde! Doch Vas AllcS wurde noch übcrtroffcu auf dem Schiss Orlando, welckeS sie gerettet halte; sie mußte» ohne Erbarmen, dem furcht­barsten Wetter anSgesezt, auf dem Ver­decke zubriiigen, batten in den ersten drei Tagen gar nichts und die folgen­den täglich nur zwei Zwieback (und doch kamen irr Havre zwei lebendig,,: Eckweiiie mit an) und einen Schop­pen Wasser! Nur einige irische Mäd­chen wurden bevorzugt.

Man ließ also 28 Unglückliche,

retten wollte; da ziemlich starker Stunnssneist Weiber und Kinder, am Bord war, mußte man von ver Höhe hcr-ches brennenden Wrackes und sah mit ab in das kleine Boot springen, wobei,Eiitsszen kurze Zeit daraus, nachdem 15 ertranken! Herzzerreißend waren didsich der Orlando vom St. Georg cnr- Scencn mitttcrllcker Zärtlichkeit; es fernt hatte, gegen zwei Uhr Morgens hattcu nämlick die Deutschen, welche den Lezteren in dem furchtbaren Wo­nach Möglichkeit die Rettung dirignten^geiiinccre untergeben! Zum Glück war vor Allem für Bergung der Frauen der Sturmwind der Fahrt deS Orlan- nnd Kinder gesorgt und da keine Mögssdo sehr günstig, und so gelangten am lickkeit vorhanden wa-z die kleinen Kiii->4. Morgens die sechSundficbenzjg, dem der lebendig inS. Lifeboak zu bringeisdoppelten Tode Entronnenen, erstand so blieben in namenlosen Jammer, den rmd halb veihungert, nebst der voll­sicheren Tod vor Augen, die armeis ständigen Equipage und dem Kapitän

(der dock nickt z n e r st, sondern z n lcz t sein Sckiff verlassen soll) in Harve an, wo ein bewährter, für Unglückliche un­ermüdlich, besorgter Mann, Joseph Le- maitre (Ehcf des HauscS Lcmaiirc und W. Finlciv), der ehrwürdige, alssVeu tcr der Armen und Hülfioseii rühmlichst. bekannte cvang. Pfarrer Korber, die iEoiisulii von Nordamerika, England, Schweiz, Baden, Hessen und Preuße», die meisten deutsche» Gasiwirthe, Venen Zer brave Dinger zurHelvetia" mir edlem Beispiele voranging, und noch viele Andere mit der Rcichung von Hil­fe jeder Art wetteiferten. Auch ist. ei­ne Suvskribtion unter den hiesigen. Handelshäuser» eröffnet, die schon in den ersten Stunden sich auf über 2000: Franken bellest

Mütter mit ihren Kindern zurück. Un terdesscn breitete sich daS Feuermeer weiter aus und der Sturm wurde im­mer wachender, so daß der Kapitän des Orlando für sein Sckiff besorgt zu werden anfing. (Die geretteten Passagiere glauben indessen, daß die Kapitäne um Rettung oder Tod eüies Schiffes voll irischer Auswanderer nickt eben übertrieben besorgt waren, ja, daß man sogar die Bergung der Deutschen bedauerte).

Nach neun Tagen der furchtbarsten Entbehrungen mid Mißhandlungen, welche die zum Theil halbnackt Geret­teten (mehr als man am Leibe trug war nicht zu retten) am Bord des Or­lando z« ertragen hatten, sah man dir englischen Küsten; doch legte der Kapi­tän nickt an! Man denke sich unsere armen sechs Landsleute unter den ver­wilderten, mit Ungeziefer überhäuften Irländern, mit denen man auch nach der Abreise von Liverpool auf dem St. Georg die von drei der Deutschen!

Redakteur: Gustav RiviniiiS.

Druck uud Verlag der RlviniuS'scheu Buch­druckern iu Calw.