Vom Roten Kreuz.

Stuttgart, 5. Aug. Das Präsidium des Wür-tt. Landesvereins vom Roten Kreuz hielt gestern vor­mittag eine Versammlung ab, zu der auch die Pro­tektorin des Vereins, die Königin, ferner die Her­zogin Robert, Prinzessin Max und Herzog Karl Alexander erschienen waren. Der Präsident, Direk­tor Dr. v. Geyer bat in seiner Begrüßungsrede unter Hinweis auf den hohen Ernst der Stunde um die tat­kräftigste Unterstützung aller Mitglieder und Freunde. Es sei bereits ein Aufruf zur Sammlung von Geldmitteln veröffentlicht. Die Gaben mögen entweder bei dem Hilfsausschuß der Stadt Stuttgart oder an die Sammelstellen des Wiirtt. Landesvereins vom Roten Kreuz abgeliesert werden. Das Haupt­quartier befindet sich in dem vom König zur Ver­fügung gestellten Königsbau. Die Anmeldungen zur Mitwirkung beim Pflegedienst mehren sich von Dag zu Dag. Die Durchführung der Tätigkeit des wiirt- tembergischen Noten Kreuzes verteilt sich auf 14 Ab­teilungen. Die Königin hat dem Landesverein für die Kriegszwecke 5000 Mark gespendet. General­intendant Baron zu Putlitz forderte die Anwesenden auf, der Armee und Marine als letzten Gruß sin donnerndes Hoch zuzurufen.

Abreise des englischen Konsuls.

Stuttgart, 6 . Aug. Der hiesige großbritannische Konsul Hardwyn Eastrell hat heute nachmittag Stuttgart verlassen.

Immer noch falsche Gerüchte.

Ulm, 5. Aug. Der Gouverneur macht folgendes bekannt: Das Gerücht, daß am 3. August früh ein Spion in Ulm standrechtlich erschossen wurde, ent­behrt jeder Begründung. Es sind seit 31. Juli in Ulm und Neu-Ulm 176 Personen wegen Spionage- verdachts verhaftet worden, von denen 147 als un­verdächtig wieder entlassen wurden. Bei 29 Perso­nen ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen. Am Nachmittag und Abend des 3. August ist aus etwa 25 Ortschaften der Umgebung von Ulm die telepho­nische Nachricht vom Erscheinen französischer Flieger gekommen. Sämtliche Meldungen haben sich als falsch herausgestellt. Daß französische Flieger bei Ulm erscheinen, ist unwahrscheinlich. Mehrfach sind Nachrichten Uber das Auftauchen französischer Offi­ziere im Kraftwagen eingetroffen. Diese waren ebenfalls falsch. Bei der scharfen Ueberwachung des Kraftwagenverkehrs ist es ausgeschlossen, daß ein ver­dächtiger Kraftwagen durchkommt. Wahrscheinlich sind Angehörige des deutschen freiwilligen Automo­bilkorps, die eine graue Uniform mit dunkelroten Aufschlägen tragen, für fremde Offiziere gehalten worden. Das Gerücht, daß der Eisenbahnzug der 4. Komp. Pionierbataillon 13 auf dem Transport einen Unfall erlitten hätte, ist unwahr. Die Mobil­machung des Heeres vollzieht sich dank der vorzüg­lichen Friedensvorbereitungen in größter Ruhe und Ordnung.

Gegen den Lebensmittelwucher.

Berlin, 3. Aug. Um den Preistreibereien na­mentlich der kleinen Geschäfte beim Verkauf der Le­bensmittel entgegenzutreten, hat der Oberbefehls­haber in den Marken eine Verordnung erlassen, in der er nach einem von Magistrat und Handelskam­mer eingeholten Gutachten als zur Zeit höchste, den Umständen nach angemessene und zulässige Preise: für ein Pfund Roggenmehl 27 Pfg., Weizenmehl 30 Pfg., Salz 20 Pfg. festsetzt. Weiter wird be­stimmt, daß in dem Gebiet des Zweckverbands Eroß- berlin in gewerblichen Verkaufsstellen Mehl und Salz zu höheren Preisen nicht verkauft werden dür­fen. Für die festgesetzten Preise müssen alle gesetz­lichen Zahlungsmittel, insbesondere auch Reichsbank­noten, zu vollem Wert in Zahlung genommen wer­den. Verkaufsstellen, deren Inhaber diesen Bestim­mungen zuwiderhandeln, sind von der Polizeibehörde zu schließen. Sollte bei anderen Lebensmitteln eine ähnliche ungerechtfertigte Preistreiberei erfolgen, so behält sich der Oberbefehlshaber bezüglich dieser gleiche Anordnung vor.

Vom österreichisch-serbischen Krieg.

Wien, 5. Aug. (Wiener Korr.-Buro.) Die Be­richte der an der Grenze stehenden Truppen lassen er­kennen, daß eine erhöhte Tätigkeit einzutreten beginnt. Bei Belgrad suchten serbische Festungsgeschütze in der oberen und unteren Festung, sowie auf den benachbar­ten Anhöhen durch heftiges Feuer sowohl die Beweg­ungen am diesseitigen Ufer als auch die Schiffahrt auf der Save und der Donau zu verhindern. Dies veranlaßte die österreichischen Truppen gestern ein Ar- tillerieseuer gegen diese Geschütze zu eröffnen. Der Kampf endete damit, daß die serbischen Geschütze zum Schweigen gebracht wurden. Die Festungswerke wur­den dabei schwer beschädigt. Die Stadt blieb von dem Bombardement vollkommen verschont. An der Drina herrscht Ruhe. Sehr lobend wird die Tätigkeit der im Eicherungsdienst verwendeten Truppen, insbesondere der Infanterie und der Erenzjäger hervorgehoben.

Berlin, 5. August. Bei den hiesigen Großbanken sind die dem russischen Staat zustehenden Guthaben als Eigentum einer feindlichen Macht mit Beschlag belegt

St«dt, Bezirk und Nachbarschaft.

C alw, den 6. August 1914.

An unsere Leser und Einwohner.

Noch einmal sehen wir uns gezwungen, in eigener Angelegenheit das Wort zu ergreifen. Wir mußten gestern schon Verwahrung dagegen einlegen, daß unsere in der Frühe am Dvuckereigebäude angeschlagenen Extra­blätter herabgerissen wurden. Im Lauf des Vormit­tags ist uns dann weiter hinterbracht worden, daß auch die Anschläge an den verschiedenen Anschlagstellen unbe­fugterweise entfernt worden seien. Desgleichen entdeck­ten wir am Nachmittag wiederum, daß unsere Sonder­ausgaben weggerissen wurden.

Derartige Ungezogenheiten richten sich vor den Augen jedes anständigen Menschen ja von selbst. Sie sind aber doppelt niederträchtig, wenn sie von Angehö­rigen gebildeter Stände begangen werden, von denen doch gerade in diesen aufgeregten Zeiten Ruhe und Be­sonnenheit bewahrt werden sollte. Der Herr, der sich am Vormittag erfrechte, den Unfug zu verüben, glaubte die Nachricht der Kriegserklärung Englands an Deutsch­land nicht. Nun kann ja das auch nicht von jedem ver­langt werden, alles zu begreifen und die Meldung über die Kriegserklärung kam jedermann auch so unglaub­lich, ungeheuerlich vor, daß sich wohl Zweifel an ihrer Richtigkeit einstellen konnten. Aber das berechtigt nie­mand und noch lange nicht zur Sachbeschädigung und zu Angriffen auf das Eigentum anderer. Anstand und Selbstzucht verbieten das. Etwas, was einem unwahr dünkt, macht man doch nicht wahrer dadurch, daß man sich an ihm vergreist! Unsere Zeit ist uns viel zu kost­bar, als daß wir den Verübern solcher strafbaren Hand­lungen lange Moralpauken halten. Wir sind sicher, daß die Einwohnerschaft, vornehmlich unsere Leser, in ihrer großen Mehrheit diese ungehörigen Machinationen aufs entschiedenste verurteilt. Schwerer als je lastet zur Zeit die Verantwortung gegenüber der Oeffentlichkeit auf der Presse. Wir lassen uns aber durch keine irgendwie gerichtete Beeinflussung u. durch keinerlei Unarten Drit­ter davon abhalten, wie bisher unsere Pflicht gewissen­haft zu erfüllen. Und diese Pflicht besteht zu einem gut Teil darin, Vermittler zu sein zwischen den Begeben­heiten draußen und der Einwohnerschaft drinnen, die ein Recht daraus hat, über Wissenswertes auf dem Lau­fenden gehalten zu werden.

Das gibt uns Gelegenheit, unfern Lesern ins Ge­dächtnis zurückzurufen, daß das Calwer Tagblatt bis zur Stunde nur zuverlässige Nachrichten veröffentlicht hat. Daß es sich seit Monaten durch einen Wust wildester Ge­rüchte und unwahrster Meldungen hindurch Ruhe und klaren Blick bewahrt hat. Diesen bestimmten, zielklaren Weg wird es weiterhin gehen. Das Vertrauen der Leser in das Calwer Tagblatt zu rechtfertigen, werden wir uns stets aufs pünktlichste angelegen sein lasten und auch künftig werden sämtliche in der Zeitung ent­haltenen Mitteilungen über das Heerwesen, über den Gang der Ereignisse auf den verschiedenen Kriegsschau­plätzen, durchweg den Tatsachen entsprechen. Unfehl­bar sind wir nicht, aber das halten wir als obersten Grundsatz hoch: Keine Nachricht ohne gewis­senhafte Prüfung hinauszugeben! Jed­wede mit den kriegerischen Vorgängen zusammenhän­gende Meldung, die wir veröffentlichen, unterlag zuvor der behördlichen Beglaubigung, d. h. dem preußischen oder württembergischen Generalkommando. Es ist ja leider so, daß die Leute den unzähligen Schwindelnach­richten, die Stuttgarter Zeitungen verbreiteten, eher Glauben schenkten, als den ruhigen, tatsächlich begrün­deten eines nun eben eines kleinen Blattes. Aber soviel sollte endlich selbst denen, die vom geringen Um­fang eines Blattes ohne weiteres auch aus seinen In­halt als aus eiyen gleichgültigen schließen, klar gewor­den sein, daß das Calwer Tagblatt ehe es berichtet, sich seine Meldungen vorher ansieht!

Das Abreißen unserer Extrablätter also verbitten wir uns hiemit öffentlich und wir warnen jedermann davor, sich auf diese Weise bei uns bekannt zu machen. Uns schadet letzten Endes der nicht, der seinen Witz und seine Fähigkeiten in solchen Dingen spielen läßt, aber sich selbst und der Einwohnerschaft, weil wir bei weiteren ähnlichen Sachbeschädigungen die Ausgabe von Extrablättern einstellen müßten.

a Der Postoerkehr zwischen Deutschland und England ist gänzlich eingestellt und findet auch auf dem Wege über andere Länder nicht mehr statt. Es werden daher keinerlei Postsendungen nach dem an­gegebenen fremden Land mehr angenommen, bereits vorliegende oder durch die Briefkasten zur Einliefe­rung gelangende Sendungen werden den Absendern zurückgegeben. Der private Telegraphen- und Fern­sprechverkehr zu und von diesem Land ist ebenfalls eingestellt.

Verkehr mit Kleingeld. Bei der Reichsbank wurden in den letzten Tagen allein 514 Millionen Silber und 12 Millionen 20 Mark-Noten veraus­gabt, ein Beweis, in welcher Weise in letzter Zeit der Verkehr mit kleinen Zahlungsmitteln ausgestattet worden ist.

Wettere Nachrichten.

Die Vrotversorgung.

Stuttgart, 5. Aug. Die Mehlpreise im Großhan­del sind von Spekulanten in wenigen Tagen um über 50 A in die Höhe getrieben worden, obwohl ausrei­chend Vorräte im Lande sind. Die Kopflosigkeit des Publikums hat allerdings auch viel zu dieser unerhör­ten Verteuerung beigetragen. Viele Bäckereien haben durch den Ansturm auf die Lebensmittel ihre billi­geren Mehlvorräte verbraucht und müssen nun teures Mehl einkaufen. Trotzdem haben die Vorstände der Bäckerinnungen Stuttgart und Cannstatt beschlosten, so lange als irgend möglich an den bisherigen Brot- und Mehlprsisen festzuhalten. Die Stadtverwaltung Stuttgart soll sodann ersucht werden, bei einer etwa nötig werdenden Preisänderung während des Krieges mitzuwirken, damit die Bevölkerung die Gewißheit hat, daß die Bäckermeister die schwere Zeit nicht zu ihrer Bereicherung ausnützen. Dieses Vorgehen ist ein Beispiel, wie in allen Stän­den und Berufen Eemeinsinn und Opferwilligkeit über die eigenen Interessen gestellt wird. Auch das Publi­kum kann zu seinem Teil durch Selbstbeschränkung da­zu beitragen, daß in den Städten die so hochwichtige Brotversorgung keine Unterbrechungen erleidet. Tau­sende von Bäckermeistern und Gehilfen sind bereits zur Fahne geeilt; weitere werden folgen. Die Zurückblei­benden sind infolgedessen gezwungen, die Produktion möglichst zu vereinfachen, um den nötigen Bedarf decken zu können. Die in Württemberg blühende, vielseitige Feinbäckerei wird aus diesem Grund über die Dauer des Krieges aus gegeben werden wüsten. Es ist zu erwarten, daß das Publikum so viel Entgegen­kommen und Einsehen zeigt, daß es seine Ansprüche ein­schränkt. Dasselbe gilt bezüglich der Lieferung ins Haus, die ja besonders beim Frühstücksbrot üblich ist. Wenn die Frau eines Meisters, der im Felde steht, die Kundschaft nicht so, wie seither, bedienen kann, sollte jedermann Nachsicht und Entgegenkommen zeigen und nicht mit der Kündigung der Kundschaft drohen. Sehr zu wünschen wäre es schließlich, wenn die Regierungen den Mehlspekulanten durch drakonische Maßnahmen ihr schändliches und gemeingefährliches Handwerk legen würden.

Horb, 5. Aug. In der Nacht vom Montag zum Dienstag wurden auf die Zivilschutzwache bei Nie­dernau scharfe Schüsse abgegeben. Die Schutzmaßregeln und Sicherheitsvorkehrungen sollen verstärkt werden.

Freudenstadt, 5. Aug. Als in der letzten Nacht zwischen Grüntal und Wittlensweiler der Militär­zug die Strecke passierte, sprang einer der von Freu­denstadt zur Wache requierierten Pfadfinder gegen den Viadukt vor, was den Verpacht der Patrouille erweckte. Die Wache gab Feuer und der junge Mann wurde an der Brust und am Bauch schwer verletzt, so- daß er mit dem Auto in das hiesige Veztrkskranken- haus gebracht werden mutzte. Beide Teile soll keine Schuld treffen.

Schwenningen, 5. Aug. Die großen Uhren­fabriken, die teilweise über tausend Arbeiter beschäf­tigen, haben entweder ihren Betrieb ganz geschlossen oder geben nur noch wenigen älteren oder jugend­lichen Arbeitern Arbeit, da alles dem Rufe des ober­sten Kriegsherrn fotzt.

Tübingen, 5. Aug. Der Vorarbeiter Reitter in Lustnau hat am Montag abend seine 40jährige Frau erstochen und sich selbst die Halsschlagader durchschnit­ten. Beide sind tot. Der Mann soll schon in einer Irrenanstalt gewesen sein. 8 Waisen sind Hinterlasten.

Stuttgart, 5. Aug. Von der Eeneraldirektion der Posten und Telegraphen wird uns geschrieben: An dem auch in die Presse llbergegamgenen Gerücht, daß zwei feindliche Spione versucht habe, die Fern­drähte auf dem hiesigen Hauptpostgebäude zu durch- schneiden, und daß der eine von ihnen herunterge­schossen, der andere verhaftet worden sei, ist kein wahres Wort. Zum Schutz des Hauptpostgebäudes sind umfassende Vorkehrungen getroffen.

Wasseralfingen, 5. Aug. Einem in der Nähe des Friedhofs stehenden Wachtposten entlud sich das Gewehr und der Schuß verstümmelte einem in der Nähe stehenden 15jährigen Knaben den linken Fuß vollständig.

Crailsheim, 5. Aug. Bei der Pferdeaushebung führte der 18 Jahre alte Sohn des Posthalters Schei­terlein ein Pferd vor, das ausschlug und den jungen Mann auf den Kopf traf, so daß er bald daraus den schweren Verletzungen erlag.

Stuttgart. 4. Aug. (Schlachtviehmarkt.) Zuge­trieben 159 Stück Großvieh, 130 Kälber und 661 Schweine. Unverkauft von elfteren 60, von Schweinen 195 Stück. Ochsen 1. Kl. 9095 oll, Bullen 1. Kl. 75 bis 77 oll, Stiere 1. Kl. 9093 oll, Jungrinder 2. Kl. 8489 oll, Kühe 2. Kl. 72 oll, Kälber 1. Kl. 9093 oll, 2. Kl. 6465 oll, Schweine 1. Kl. 6667 °ll, 2. Kl. 64 bis 65 -ll, 3. Kl. 5760 oll. Verlauf des Marktes: langsam.

Für die Schristleitung verantwortlich: Paul Kirchner Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Vuchdruckerei