NACHRICHTENBLATT

DER MILITÄR-REGIERUNG FÜR DEN KREIS CALW

AVIS DU GOUVERNEMENT MILITAIRE, DU LANDRAT ET DE TOUTES LES AUTORITES DE LARRONDISSEMENT DE CALW

CALW 30. Oktober 1945 Nr. 29

Die Organisation des Handwerks bleibt erhalten

Die Innungsmeister tagten in Calw Das Problem der Materialbeschatfung

Im großen Saal des Calwer Rathauses tagten erstmals nach dem deutschen Zu­sammenbruch die Obermeister der Innun­gen des Kreises Calw, um aus berufenem Munde Aufklärung über die Wiederher­stellung der Berufsorganisation des Hand­werks zu erhalten und um sich über die derzeitigen Sorgen innerhalb der einzel­nen Handwerke, insbesondere über die Materialbeschaffung auszusprechen. Der Leiter der Versammlung, Tapeziermeister Hans B a 11 m a ii n. Mitglied des Kreisver­trauensrates, zeigte eingangs die Gründe auf, die nach einer trügerischen Schein­blüte mit dem schmählichen Zusammen­bruch des Nationalsozialismus auch zum Sturz des Handwerks ins Chaos führten.. Es gilt nun, so führte er aus, nach einem Niederbruch, wie ihn die Welt noch nicht sah, mit gutem Willen und zäher Energie wieder Ordnung zu schaffen. Die Innun­gen sollen in ihrem Bestand erhalten blei­ben und auf eine demokratische Grund­lage gestellt werden. Im Kreis Calw haben wir im Hinblick auf die unerhörte Mißwirtschaft der ehemaligenArbeits­front das Glück, daß die Gelder der In­nungen wie auch das Inventar der ehe­maligen Kreishandwerkerschaft erhalten geblieben sind. Die Freien Gewerkschaf­ten haben alles sichergestellt, so daß eine Geschäftsstelle der Handwerker-Innungen für den Kreis sie ist vorerst den Gewerk­schaften angeschlossen errichtet wer­den konnte. Die Organisation des Hand­werks wird in ihrer altbewährten Form unter neuen Männern Wiedererstehen und der Kreis Calw der Handwerkskammer Stuttgart angeschlossen bleiben.

Anschließend sprach der kommissari­sche Vorsitzende der Handwerkskammer Stuttgart, R o t h m a n n, zu den Versam­melten. Er schilderte den Wiederaufbau der Kammer durch drei hierzu berufene Handwerksmeister und teilte mit, daß der Kreis Calw der erste sei, mit dem die seit kurzem wieder arbeitsfähige Kammer die Fühlung aufnehme. Am Programm der Kammer, die eine rein wirtschaftliche Einrichtung sei, werde sich nichts än- ' dern. Sämtliche bewährten, dem Schutz des Handwerks dienenden Einrichtungen (Befähigungsnachweis, Handwerkerrolle, Lehrlingsausbildung usw.) würden ebenso wie die Gesamtorganisation des Hand­werks beibehalten. Die Innungsmeister müßten soweit sie Parteigenossen wa­ren durch neue, kommissarisch ein­zusetzende Männer ersetzt werden, bis ordentliche Wahlen möglich seien; wer als Innungsmeister nachweislich nur dem

Bekanntmachung

Es ist mir gemeldet worden, daß Briefe im Schmuggel weg von deutschen Kriegs­gefangenen an ihre Familien, die in Deutschland wohnen oder umgekehrt, be­fördert werden.

Dies geschieht durch Vermittlung von Zivilpersonen, die . durch Deutschland kommen.

Die Beteiligten werden auf die Schwere ihres Vergehens aufmerksam gemacht, der sie sich durch Vermittlung eines sol­chen Briefaustausches aussetzen.

Le Commandant F r 6 n o t D616gue pour le Gouvernement Militaire du Cercle de Calw

Landesverwaltung für Wirtschaft Im Interesse einer gerechten Verteilung der innerhalb der französisch besetzten Zone Württembergs vorhandenen und er­zeugten Güter muß auf Weisung der Mi­litärregierung aufs nachdrücklichste dar­auf hingewiesen werden, daß Tausch­geschäfte von Kreis zu Kreis, oder Ausfuhrverbote einzelner Kreise nicht geduldet werden können, da derartige willkürliche Eingriffe in die Gesamtwirtschaft des Landes in kurzer Zeit zu unhaltbaren Zuständen führen müssen.

# Wo natürliche Voraussetzungen für den Austausch von Gütern innerhalb der französisch besetzten Zone Württembergs vorliegen und ausgenützt werden sollen, ist die Vermittlung der Landesverwaltung für Wirtschaft, Delegation für die fran­zösische Zone, Tübingen in Anspruch zu nehmen. gez. Dr. Klipper.

Namen nach Parteigenosse gewesen sei, habe das Recht des Einspruchs.

Die Hauptsorge aller Handwerke, so fuhr Herr Rothmann fort, ist gegenwärtig die Materialbeschnffiingsfrage. Die Fort­schritte im Handels- u. Posl verkehr (wie­der uneingeschränkter Verkehr zwischen allen vier Zonen), ferner die Zusage der Besatzungsmächte, mehr Kohle nach Württemberg zu bringen und beschlag­nahmte Rohstoffe freizugehen, werden ihre Lösung erleichtern. Herr Rothmann forderte die Innungen auf, der Kammer baldmöglieh den Materialbedarf ihres Be­zirkes zu mehlen. Die letztere wird die so gewonnenen Unlei lagen den Besat­zungsbehörden vorlegen und versuchen, entsprechende Zuteilungen zu erwirken; das Material soll dann planmäßig verteilt werden. Die Not der Zeit fordert, daß heute jeder Betrieb, wenn auch ein­geschränkt, arbeitet. Das Handwerk darf den Mut nicht verlieren, es muß zäh wei­terschaffen! Die Zukunftsaussichten sind keineswegs ungünstige, denn das Hand­werk wird infolge des Rückgangs der In­dustrie in Deutschland weit stärker zur Geltung kommen.

Kreis Calw

Wichtig für zurückgekehrte Wehr- - machtangehörige

Jeder zurückgekehrte Wehrmacht­angehörige, der sich noch nicht bei einer französischen Dienststelle im Kreis Calw gemeldet hat, ist verpflichtet, seine Ent­lassungspapiere bei der nächstgele­genen Platzkommandantur (Bureau de la Place) vorzulegen. Wehrmachtange­hörige, die nicht im Besitz von Entlas­sungspapieren sind, haben sich ebenfalls zu melden. Der Landrat.

Rodungsbeihilfen

Der Landesverband der Schafzüchter in Württemberg und Hohenzollern e. V., Stuttgart-W, Reinsburgstr. 95/III, gewährt unter den gleichen Bedingungen und Vor­aussetzungen wie in früheren Jahren Ro­dungsbeihilfen.

Es werden an die Gemeinden RM. 10. für Rodung je Hektar bis zum Höchst­betrag von RM. 400. ausbezahlt. Die Ge­meinden haben sich dann auf die Dauer von mindestens 3 Jahren zu verpflichten, die Schafweide an ein und denselben i Schafhalter, der sich an der Bezahlung I

schäften, Franz Dag ne, berichtete über die Uebernahme der ehemaligen Kreis- handwerkerschaft und schloß mit der Mit­teilung, daß Hans Ballmann die Leitung der Geschäftsstelle der Handwerker­innungen für den Kreis bis zu den Neu­wahlen im Interesse des Handwerks über­nommen habe.

In einer regen Aussprache äußerten sich nunmehr die Vertreter der einzelnen Innungen über die Sorgen und Nöte ihrer Handwerke Die Meldung des Material­bedarfs an die Kammer wurde gutgehei­ßen. Herr Rothmann legte u. a. nahe, Alt­material restlos zu verwerten, da Mate­rial heute wertvoller sei als Arbeitskraft.

Der Leiter der Geschäftsstelle dankte dem Vorsitzenden der Handwerkskammer für seine Worte und gab sodann die not­wendigen Anweisungen zur Ernennung kommissarischer Innurigsmeister, welche die.Geschäfte bis zu den Wahlen vyeiter- riihren. Jeder der drei Abschnitte des Kreises wird in Zukunft einen lnnungs- ubermeister erhalten. Unser Ziel, so schloß Herr Ballmann, ist, neue, feste Grundlagen für die Innungen zu schaf­fen. Die Geschäftsstelle der Handwerker­innungen für den Kreis Calw wird in die­sem Sinne bestrebt sein, ihre Arbeit in enger Verbindung mit Handwerkskam­mer, Kreiswirtsehaftsamt urul Innungen zum Nutzen des Handwerkes zu leisten

der Rodungskosten ebenfalls beteiligt, zu verpachten.

Im Interesse der Förderung der heimi­schen Schafzucht sind Anträge auf Ge­währung von Rodungsbeihilfen beim zu­ständigen Landwirtschaftsamt sofort zu stellen. Der Landrat.

Obstbaalehrgänge

Die beiden Kreisbaumwarte Scheerer und Walz beabsichtigen im Winterhalb­jahr 1945/46 34wöchige Lehrgänge über Obstbau für Obstbaumbesitzer abzuhal­ten. Diese Kurse sollen den Teilnehmern die wichtigsten Pflegemaßnahmen an Obstbäumen praktisch vermitteln, so daß sie solche Arbeiten selbst ausführen kön­nen. Die Teilnehmer sollen mindestens 17 Jahre alt sein; sie sind verpflichtet, den ganzen Kurs zu besuchen. Die-Kurs­gebühr beträgt RM. 12.. Sofern sich ge­nügend Teilnehmer melden, findet auch ein Lehrgang zur Ausbildung von Baum­warten mit anschließender Baumwartprü­fung statt.

Anmeldungen hierzu sind unter Angabe der vollständigen Adresse und des Alters schriftlich bis 30. 10. 1945 an den jeweils zuständigen Kreisbaumwart zu richten.

Herr Landrat, bitte zwei Minuten!

Streiflichter zur Lage

^ Der vielbeschäftigte Herr Landrat im Vorzimmer war wieder einmal jeder Stuhl besetzt und auf der Anmeldeliste des Vor-^ mittags standen 21 Besucher empfing* den Zeitungsmann heute sichtlich erfreut. Sie kommen, so sagte er, ,gewiß, weil sie meinen Aufruf zum Sozialen Hilfs­werk erhalten haben.

So ist es, erwidert dieser,und ich möchte Sie bitten, mir einiges über den Sinn des von Ihnen eingeleite­ten Hilfs Werkes und über di« Einzelheiten seiner Durchfüh l ung sagen zu wollen.

Der Gedanke, so beginnt der Heri Landrat,ist keineswegs original. In vie­len anderen Städten, wie z. B. Tübingen, Reutlingen und im benachbarten Pforz­heim, hat man bereits zu ähnlichen Hilfs­werken aufgerufen. Ich möchte dasj was im Aufruf selbst gesagt ist, nicht wieder­holen, sondern nur ganz kurz darauf hin- weisen, daß Renten und Pensionen sehr stark zurückgegangen sind, daß außer­dem viele Menschen durch die Kriegs­ereignisse und ihre Folgen erwerbs- und vermögenslos geworden sind. Für Fälle besonderer Not bestand vor 1933 der Zen­trale Wohltätigkeitsverein, der in allen Fällen in Anspruch genommen werden konnte, in denen die staatlichen Hilfsmit­tel zur Linderung besonderer Notstände nicht mehr ausreichten.

Die Not, die täglich und stündlich an die Türen der .Aemter pocht, ist heute so groß, daß iu vielen Fällen praktische und schnelle Hilfe geleistet werden muß. Da­zu braucht man Geld und Gegenstände des täglichen Bedarfs, von denen wir auch einiges zu bekommen hoffen. Ich weiß wohl, daß auch die Mittel des Sozialen Hilfswerks begrenzte sind, wir wollen aber mit allen.Kraft _f.ür unsere Person am Wiederaufbau mitarbeiten und auch nichts unversucht lassen, um die Not zu lindern. Einzig und allein diesem Zwecke soll das Soziale Hilfswerk dienen.

Herr Landrat, Sie erwähnen in Ihrem Aufruf Ortsaus­schüsse. denen die Vertei­lung der Mittel obliegen soll. Wer bildet diese Ausschüsse?

Im allgemeinen werden der Bürger­meister, dei Ortsgeistliche und der Schul­vorstand dem Ortsausschuß angehören. Sie befinden gemeinschaftlich über die Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel an die Bedürftigen der Gemeinde.

W erden die in den einzelnen Gemeinden gespendeten Be­träge auch dort verbleiben, d. h. dort ver'teilt werden?

Zu einem wesentlichen Prozentsatz selbstverständlich. Wir müssen aber auch eine Reserve schaffen, aus welcher Ge­meinden, in deneu besondere Notstände vorliegen, wie z. B. die durch die Kriegs­ereignisse hart betroffenen Dörfer Feld- rennach, Stammheim und Deckenpfronn, hinreichend bedacht werden können. Fer­ner müssen auch Mittel für die Unterbrin­gung der aus dem Osten noch zu erwar­tenden, im Hinblick auf unsere eigenen Ernährungsschwierigkeiten hoffentlich wohl nicht zu zahlreichen Flüchtlinge be­reitgestellt werden.

Noch eine letzte Frage: Was kostet das Soziale Hilfs­werk?

ni£ 8 > k08t6t PrakU äicnts. Wir denken uaran, eine Organisation ins Leben zu rufen, die Geld kostet. Alle Arbeit er­folgt ehrenamtlich. Die geringen Kosten für die Plakatierung der Aufrufe trägt der Kreis.

Und schließlich noch eine allerletzte Frage: Wohin kön­nen die Sachspenden in den einzelnen Gemeinden gerich­tet werde n?

.Selbstverständlich an die leider ohne­hin schon geplagten Bürgermeister! lautet die Antwort.

Die Zeit ist um. Ein Händedruck, die Tagesarbeit geht weiter. Beim Abschied hat der Herr Landrat versprochen, nächste Woche wieder ein paar die Oeffentlich- keit interessierende Fragen zu beanU Worten.

Der Bezirksleiler der Freien Gewerk-

-- N

- Soziales Hilfswerk des Kreises Calw

s

Mitbürger!

Der Winter steht vor der Türe. Zahlreiche Volksgenossen in Stadt und Land sind in bitterster Not und sehen mit Verzweiflung den kommenden schweren Monaten entgegen. Der verlorene Krieg bringt es mit sich, daß Reich, Land und Gemeinden nur in geringem Maß imstande sind, in Notfällen einzu­springen. Daher ist es Ehrenpflicht für alle, denen es besser geht, zu helfen.

Jetzt ist nicht die Zeit dazu, neue große Organisationen ins Leben zu rufen, es gilt vielmehr, ohne Rücksicht auf Vergangenes schnell und tatkräftig zu handeln. Wir rufen daher alle Hilfsbereiten auf, zur Linderung der Not das Mögliche mit offener Hand aus freiem Herzen beizutragen.

Mit Rücksicht auf die zahlreichen Kriegsgeschädigten im Kreis, die viel­fach Hab und Gut verloren haben, erbitten wir auch Sachspenden jeder Art.

So manches auf der Bühne unbenutzt liegende Stück Hausrat kann hier dank­bare Abnehmer finden. Heute muß man sich von Dingen trennen, die man in Jahr und Tag nicht mehr braucht.

Geholfen werden soll in erster Linie solchen, die nach dem Urteil der örtlich zu bildenden Ausschüsse besonders notleidend sind.

Gebt Eure Geldspenden rasch und reichlich unter dem Kennwort

Soziales Hilfswerk

an alle Banken, Darlehenskassen, Bürgermeister und Pfarrer des Kreises.

Sachspenden sind an die von den Bürgermeistern zu bezeichnenden Stellen abzugeben.

Landrat Wagner

und der von ihm berufene vorläufige Ausschuß:

Hans Ball mann, für die Handwerkerschaft; Dekan Brecht, für die evgl. Kirche; Franz Dagne, für die Gewerkschaften; Bürgermstr. G ö h n e r, für die Bürgermeister; Bruno May, für das Deutsche Rote Kreuz; Kreisamtmann Rebmann, für die Beamten; Hermann Schmid, für die Industrie; Kurt Weinhold und Frau Wolf, Nagold, für den Kreisvertrauensrat; Stadtpfarrer Winter für die kath. Kirche.

V_ j