Das Bild der Verwüstung im Reichstag

Die Jnnenräume beS Reichstags, besonders der große Plenarsaal, bieten ein Bild grauenvollster Verwüstung. Die große, vor dem Sitzungssaal gelegene Wandelhalle mit dem Standbild Kaiser Wilhelm l. ist zwar beinahe unver­sehrt, aber anstelle der von der Wandelhalle nach dem Sit­zungssaal führenden Zugänge sieht man jetzt ein großes Loch. Die den Saal von der Wandelhalle trennende Wand ist heruntergebrannt. Dahinter sicht man kahle Wände mit meterhohem Schutt. Nichts, rein gar nichts erinnert daran, daß an dieser Stelle der Vollsitzungssaal des Deutschen Reichstags seinen Platz gehabt hat. An den Stellen, wo sich die Sitzreihen der Abgeordneten, das Rednerpult, der erhöhte Platz für das Präsidium, die Regierungsestrabe befanden, steht man von alledem nichts mehr. Der ganze Boden des ehemaligen Saales ist ein einziger Schutthaufen, verkohlte Holzreste, verbogene Etsenstangen, die von der herunter­gebrochenen Oberlichtdecke stammen, Mauerschutt usw.

Die Wände, die mit kostbarer Holztäfelung verdeckt waren, sind jetzt kahl. Eine ungeheure Hitze muß in diesen Räumen geherrscht haben. Ein starker T-Träger über dem Präsidium ist vollständig verbogen und droht herunterzustürzen, und sogar die Mauersteine der Wände sind geplatzt. An den Plätzen der Negierung und der Neichsratsmitglteder steigt noch Rauch aus dem Schutt. Alle Tribünen sind aus­gebrannt. An der Stelle der großen Publtkumstrtbüne hängt ein grober Teil der völlig verbogenen Eisenkonstruktion der GlaSdecke herunter. Auch die etwa SO Meter über der zer­störten Glasdecke befindliche Kuppel des Reichstagsgebäudes ist in Mitleidenschaft gezogen worden. Man sicht geschwärzte Eisenträger. Kaum eine Scheibe ist ganz geblieben.

Auch in den Umgängen des Sitzungssaales hat baS Feuer zum Teil sehr erheblichen Schaden angerichtet. Beson­ders der Wandclgang der Linksparteien ist stark beschädigt. Dort bemerkt man auch noch deutlich die Spuren von zwei Brandherden, deren einer in den Borraum beS Neichsrats- saales führt, die schweren Teppiche in den Wandelgängen find zum größte« Teil etn Raub der Flammen geworden. Im RetchStagSrestaurant sind gleichfalls deutliche Spuren eines Brandherdes wahrzun"''men. Dort ist offen­bar ein Türvorhang in Brand gestc worden. Das Feuer hat die Tür und die angrenzende Holzvertäfelung erfaßt.

konnte aber bann noch rechtzeitig gelöscht werden. Mehrere Arbeitszimmer der Presse, die hinter der Presse­tribüne liegen, sind vollständig ausgebrannt. Sämtliche Ein- richtungsgegcnstände der Arbeitsräume sind «in Opfer des Brandes geworden. Neben den Tischen, Stühlen und Schrän­ken sind auch die Schreibmaschinen und Vervtelfältigungs Maschinen vollständig zerstört.

Zu der Brandstiftungsaffäre tm Reichstag wir- dem Nach richtenbüro des VdZ. in unterrichteten Kreisen noch erklärt, baß weder der Reichstag noch der preußische Landtag irgendwie gegen Feuerschäden ver­sichert seien. Der NeichsfiSkus wird den bet dem Brande entstandenen Schaben selbst tragen müssen, falls es ihm nicht irgendwie möglich ist, andere Stellen für den Schaden haft­bar zu machen.

Der Brandstifter

Der holländische Kommunist, der den Reichstag in Brand gesteckt hat, heißt van der Lübbe und stammt aus Ley­den. Er ist 24 Jahre alt und mittelgroß. Er hat ein volles Geständnis abgelegt und gibt als Beweggrund seiner Tat Rache am internationalen Kapitalismus" an. Er hat ferner gestanden, auch den Brand im Schloß angelegt zu haben. Er weigert sich, über seine Auftraggeber und seine Mittäter sich zu äußern. Die Flucht der anderen Brand­stifter ist offenbar dadurch zu erklären, daß ötese durch die unter dem Reichstagsgebäude befindlichen Gänge für die Heizungsanlagen nach dem Wohngebäude -es Reichstags- prästdenten entkommen konnten.

SSO Verhaftungen l« Berlin

Auf Anweisung GoeringS sind bis jetzt 230 kommunisti­sche Beauftragte verhaftet worden. Unter ihnen befinden sich die Abg. Torgler und Remmele sder Bruder des ehemaligen badischen Innenministers) sowie alle übrigen in Berlin faß­baren kommunistischen Abgeordneten des Reichstags und -es Landtags und eine Reihe von Persönlichkeiten, die der Kom­munistischen Partei angehören oder nahestehen.

Reichsanwalt Werner leitet persönlich die Ermittlungen Oberreichsanwalt Werner traf gestern in Berlin ei», um persönlich die Ermittlungen über den Brand tm Reichstag zu leiten.

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Außenanstcht des ReichstagsgebäubeS mäh- rend des Brandes. Die große Glaskuppel und die Fenster sind von den im Innern wütenden Flammen hell erleuchtet.

Das Trümmerfeld tm Plenarsaal nach dem Brande. Der Pfeil bezeichnet die ausgebrannte Loge des Reichs­präsidenten.

Politische Kurzmeldungen

Durch Verordnung der Reichsregierung wird die Spanne des Erzeugerpreises und des Verbrauchspreises für Milcy verringert werden. Während seines Aufenthaltes im bren­nenden Reichstagsgebüude äußerte der Reichskanzler einem Journalisten gegenüber:Was Deutschland und Europa vom Kommunismus zu erwarten haben, das sehen sie hier. Diese Tat wurde der KPD. aber von einem unglücklichen Geist etngegeben. Unsere Faust wird jetzt hart und schwer auf sie ntederfallen." Aus Anlaß der kommunistischen Brand­stiftung im Deutschen Reichstag und der aufgcdecktcn Um­sturzpläne der KPD. wird Reichskanzler Hitler heute abend um20.30 Uhr im deutschen Rundfunk überWeltgcfahr des Bolschewismus" sprechen. Reichskanzler Hitler wird am Freitag in Hamburg und am Samstag in Königsberg Wahl­reden halten. Wie verlautet, werden die Nationalsozialisten an der gesamten ostpreußischcn Grenze Freihcitsfeuer an- zünden und in Stadt und Land Fackelzüge veranstalten. Das preußische Ministerium des Innern wird in den näch­sten Tagen zwei Nunderlasse an die Polizei richten, in denen die Polizei zu einem schärferen Vorgehen gegen Animier­lokale und gegen unsittliche Literatur und Bilder in Aus­lagen angchalten wird. Dem Sozialdemokratischen Presse­dienst ist die Konzession zur Führung von Presse-Nundfunk- gesprächen entzogen worden. Ministerialrat im Reichs- wirtschaftsministerium, Geheimer Rcgierungsrat Dr. jur. Claussen ist zum Staatssekretär im preußischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit ernannt worden. Der Aachener Polizeipräsident Dr. Drews, ist vom kommissarischen preu­ßischen Innenminister mit sofortiger Wirkung beurlaubt worben. In Ostpreußen sind die Regierungspräsidenten Lr. Rosencrantz tn Gumbinnen und von Rubertt t« Alleu-

stein, sowie Polizeidirektor Mulack in Tilsit und Landrat Nudnitzkt in Angerburg von ihren Amtsgeschäften beurlaubt worden. In Altona sind die Parteibüros der KPD. und der SPD., ferner die Redaktion der in Altona heraus­gegebenen Hamburger Volkszeitung sowie das SPD.-Bolks- haus durch Mannschaften der Hilsspolizei besetzt worden. Auf einer Wahlversammlung in Kassel erklärte der national­sozialistische Rechtsberater, die Streiter der nationalen Be- wcgung dächten gar nicht daran, mit den Marxisten in staats­rechtlich einwandfreier Weise umzngehcn, vielmehr würden sie so lange kämpfen, bis die letzte rote Fahne in Deutsch­land heruntergeholt sei. Bezüglich der Preußenregierung Braun meinte in der gleichen Versammlung Rechtsanwalt Freister, es sei schon heute klar, daß diese Herren fliegen müßten, ohne einen einzigen Pfennig Pension mitzubekom- mcn. Tie Nechtsbcgrifse seien nicht tn etn ewig geltendes einmaliges Schema einzuzwängen. Das Recht werde sich ändern, wie sich das Volk innerlich umgestaltcn werde. Die badische Negierung hat alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, die bei einem etwaigen Auftreten eines komm», nistischen Terrors in Kraft treten werden, so daß die Auf­rechterhaltung von Ruhe und Ordnung in Baden gewähr- leistet erscheint. In Stuttgart, München und Dresden wurden die Landtagsgebäude unter polizeilichen Schutz ge­stellt und für Besucher gesperrt. In Leipzig wurde baS Ncichsgertchtsgebäude gesichert. DaS Reichsgericht hat daS Verbot der Münchener Neuesten Nachrichten abgelehnt. Be­kanntlich hatte der Ncichsinnenminister an die bayrische Re­gierung daS Ersuchen gerichtet, die Münchener Neuesten Nachrichten auf drei Tage zu verbieten wegen Verbreitung der Nachricht, daß der Reichskanzler die Aufhebung der Krankenscheingebühr zu Fall gebracht habe. Bet einer Schießerei »wische» politische« Gegner« t» Berlt« wurde

et« SSjähriger Nationalsozialist getötet,' zwei Männer und zwei Frauen erlitten zum Teil Schußverletzungen. In Frankfurt am Main wurde nachts ein SA.-Mann von polt- tischen Gegnern ntedergeschossen. In Worms kam es vor dem Verlagsgebäude der Wormser Zeitung zwischen Ratio- nalsozialisten, die Flugblätter verteilten und Reichsbanner, leuten und Kommunisten zu einer Schlägerei, bei der ein Nationalsozialist von einem Kommunisten durch einen Stich in die Lunge schwer verletzt wurde. In Freiburg wurde ein kommunistisches Waffcnlager ausgehoben, wobei etwa 5o große und 26 kleinere Sprengkörper sowie zwei Pistolen und mehrere hundert Patronen und vier Gewehre beschlag. nahmt werden konnten. Vier Personen, die der KPD. nahe- stehen, wurden der Staatsanwaltschaft zugeführt. I«, Hauptausschuß der Abrüstungskonferenz wurde der französt. sche Vorschlag der Anrechnung oder vormilitärischen Aus. bildung auf die Mtlitärbienstzeit angenommen. Der Pari- serPetit Parisien" will wissen, daß derzeit eine offiziell, Begegnung zwischen Reichskanzler Hitler und Mussolini vor- bereitet werde. Der Reichskanzler beabsichtigt, sich nach -e« Wahlen, wahrscheinlich zwischen dem 20. und 28. März, nach Rom zu begeben. Präsident Noosevelt will bei seinem Amtsantritt eine Botschaft veröffentlichen, in der ein groß­zügiges Wiederaufbauprogramm zur Wiederherstellung de» finanziellen Vertrauens bekannt gegeben werden wirb. Noosevelt hat Noper zum amerikanischen Handelsminister und Frl. PerkinS zum Arbeitsminister ernannt. Die amerikanische Negierung hat Kolumbien und Peru mit- geteilt, baß sie den VölkerbnndSnorschlag zur Schaffung eines internationalen Ausschusses zur Schlichtung beS Leti- cta-StreiteS unterstütze. Kolumbien hat den Vorschlag ange- nommen, während Peru zögert. Die chinesische Regierung hat alle Führer der Kommunistischen Partei wegen umstürz- lerischer Umtriebe verhaften kaffen.

Neureqelunq der Zölle für Käse und Eier

TU, Berli«, 1. März. Amtl. wird mitgeteilt: Das Reichs- kabinett hat sich mit der Neuregelung der Zölle für Käse und Eier befaßt. Der vom Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Dr. Hugenbevg, vorgeschlagene Schutz der deutschen Erzeugung wurde genehmigt. Di« beteiligten Reichsreflorts sind ermächtigt worden, die Einzelheiten de» Neuregelung auszuarbeiten und dabei auch auf die Lage der handelspolitischen Beziehungen Bedacht zu nehmen. Die Ver« öffentlichung der beschlossenen Maßnahmen wird in Kürz« erfolgen.

Nur noch deutsche Kräfte im Rundfunk

Wie von zuständiger Seite mitgeteitt wird, hat der Rund» fuwkkormniffar deS Reichsministers des Innern, Dr. Kru - kenberg, ein Schreiben an die Reichsrunbsunkgesellschast gerichtet, tn dem er auf die Notlage himveist, in der sich M» Zeit mit vielen anderen Volksgenossen sanz besonders auch Vertreter der deutschen Kunst und Wissenschaft befinden. Si» stellen den Rundfunk als den wohl größten kulturellen Auf­traggeber vor besondere Ausgaben. Dt« Befolgung deS scho» wiederholt gegebenen Hinweises, im Programm weites». gehend nur deutsche Kräfte zu beschäftigen, dt« nicht anderweitig durch Anstellung oder feste Mitarbeirervcv» träge verpflichtet sind, genüg« nicht,- aus ftaatspolitischen Er­wägungen heraus erachte er es vielmehr für wünschenswert bei Nsuabschlüffen für Darbietungen irgendwelcher Ar» grundsätzlich nur Reichsdeutsche und Angehörige ehemalige» reichS-dentscher Gebiete oder stammverwandter Länder zu be­rücksichtigen, Vereinbarungen mit Ausländern aber mir in­sofern zu tätigen, als feststehe, daß deren heimatlicher Rund­funk umgekehrt ReichSdeutsch« tn entsprechender Weile z» seinen Darbietungen heranztche oder baß ein besonder«- außenpiftitrsches Interesse die Ausnahme rechtfertige.

Kleine politische Nachrichten

Der ReichSoerband deS Deutschen Handwerks hat de« Entwurf eines Gesetzes zur Aenderung der Gewerbeord- nung" mit dem UntertitelEinführung der Handwerker­karte" aufgestellt. Dieser Gesetzentwurf, der den zuständige« Regierungsstellen demnächst eingcreicht werden soll, enthält Ergänzungs» und Abändcrungsbestimmungen zur Gewerbe, ordnung und geht im wesentlichen darauf hinaus, ein« besondere HanbwerkSordnung in Verbindung mit der all­gemeinen Wiedereinführung des Zunftzwanges zu schaffen.

Der BnndeöanSschnß deS ADGB. erörterte dte politisch» Entwicklung der letzten Wochen und die politische Lage. Di« jüngsten Ereignisse, der Brand im Reichstag und seine poli­tischen Folgen wurden in ihrer weittragenden Bedeutung gewürdigt. Die Vertreter der Gewerkschaften sprachen ihr, Abscheu über dte Brandstifter aus. Sie erblicken in der Brandstiftung nicht nur einen Anschlag gegen den Sitz deS Parlaments, sondern einen Angriff gegen den Parlamen­tarismus überhaupt.

Der Abba« der weltlichen Schule« in Preußen. Der Rcichskommiffar für das preuß. Kultusministerium hat an- geordnet, daß von Ostern dieses Jahres ab in die Sammcl- schule und Sammelklaffen für Kinder, die am ReligionS- unterricht nicht tetlnehmen, Lernanfänger nicht mehr aus­genommen werben. Unterricht in Lebenskunde oder sog. Moralunterricht wird in den Volksschulen außerhalb de» Sammelschulen und Klaffen nicht mehr erteilt.

NooseveltS Bedingungen für K '-gsschnldenherabsetzung. Der neue amerikanische Außenminister Hüll unterrichtete den britischen und den französischen Botschafter davon, daß die Negierung Noosevelt eine Herabsetzung der internatio- nalen Zolltarife, Erleichterungen tm Devisenverkehr und di, Abschaffung einseitiger Handelsbeschränkungen und Ausfuhr- zugeständniffe im Austausch gegen eine Herabsetzung der Kriegsschulden erwarte, die ohne gleichzeitige wirtschaftlich« und militärische Abrüstung wirkungslos sein würde.

Japan sperrt die chinesische Waffeneinfuhr. Wie tn Schang- Hai verlautet, haben die japanischen Kriegsschiffe den Befehl erhalten, alle ausländischen Dampfer, die für China be- stimmte Waren an Bord haben, anzuhalten und die Waffen z« beschlagnahme». Der Befehl soll sofort tn Kraft treten.