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Schwarzwaldkreis. Oberamt Calw.

hundert mit Stadtrecht erhob. Durch die Tochter des letzten Grafen von Calw, Gottfried, welche zuerst an einen Grafen von Mblngen, dann an einen Grasen von Berg-Schelklingen vermählt war, kam Calw kurze Zeit an diese Familien, 1308 und 1345 an Württemberg. Calw war lange die bedeutendste Industriestadt Altwürttem- bergs. Schon 1327 wird eine Walkmühle, im 14. Jahrhundert ein stark besuchter Jahrmarkt erwähnt. Im 17. Jahrhundert waren in der Stadt und Umgegend über 400 Webermeister, 1200 Zeugmacher und etliche 1000 Spinnerinnen, 4 Walk­mühlen rc. Aber die zweimalige Zerstörung, am 10. September 1634 durch die Reiter Johanns von Werth und am 19. bis zum 23. September 1692 durch Melacs Hor­den, warf die blühende Stadt empfindlich zurück. In Asche sanken, nach vorhergegan­gener Plünderung, im Jahr 1692 sämtliche Gebäude innerhalb und außerhalb der Mauern, ausgenommen 4 Privathäuser im Bezirk der Mauern, und außerhalb der­selben 36 hin und her an den Bergen klebende, mehr Hütten als Häuser. Der jetzige Zustand der Stadt erinnert nur zu sehr an diese beiden Zerstörungen, indem dieselbe rasch und ungeordnet, freilich mit großem Aufwand von Holzbälkenwerk wieder auf­gebaut worden ist. Das Langhaus der Stadtkirche mußte vor einigen Jahren ganz neu aufgeführt werden, weil es von den großen Bränden her in trostlosem Zustande sich befunden hatte. Von den vielen bedeutenden Männern, die in Calw geboren sind, nennen wir nur die Historiker David Friedr. Cleß, st als Dekan in Reutlingen 1810, und Christoph Friedrich Stalin, geboren den 4. August 1805, st als Direktor der K. öffentlichen Bibliothek in Stuttgart 1873; er ist der Verfasser der Württem- bergischen Geschichte in vier Bänden, eines Werkes, das an Gründlichkeit und echt historischer Auffassung einzig in seiner Art dasteht.

Die ev. Stadtkirche zu St. Peter und Paul, 1885 ff. durch Oberbaurat Berner neugebaut in edlem gotischem Stil; der stolze srühgotische Chor blieb stehen, sowie die nördlich anstoßende, mit spätgotischem Netzgewölbe überspannte Sakristei.

Auf der Nagoldbrücke die edle, schöne gotische Brückenkapelle zum heil. Nikolaus, um 1400, jetzt ein kleines Museum bildend. Der Stil ist noch streng. Innen ruht ein achtrippiges Gewölbe auf Konsolen oder freistehenden Eckpfeilern, den Schlußstein bildet eine schöne durchbrochene Krone, und zwar so, daß die Decke selbst flach ist und zwischen den Rippen sich steinerne Maßwerke einspannen. Spuren von Wand­gemälden, St. Katharina. Auf dem Giebel ein steinerner Dachreiter und an den unteren Enden Fratzenköpfe. Der Stil zeigt noch die reizvolle Fülle der alten Zeit, verbunden mit der Spannkraft der vorstrebenden. Vergl. S. 36 und 37.

Abgegangen ist die einst auf dem rechten Nagoldufer gelegene Friedhoskapelle zu Unserer Lieben Frau, in ein Privathaus umgewandelt die St. Wendelinskapelle in der Jnselgasse. Das Rathaus mit großen Rundbogenarkaden, 1673 und 1726. Marktbrunnen 1686. Zahlreiche große und schöne Holzbalkenhäuser, an einem steht:

Herr, wach für dieses Haus,

Darzu die Engel sende,

Laß dir befohlen sein,

Was gehet aus und ein.

All Unglück, Raub und Brand Fürhin davon abwende. 1694.