Vk

9

s gibt Bäder und Kurorte, die für ihre Be­sucher exotische Kurgärten schaffen müssen, um dem Kurleben eine imposante Szenerie zu bieten.Ich könnte ein Dutzend der schön­sten dieser Parkanlagen hergeben gegen die Parklandschaft von Wildbad, sagte einmal ein Weitgereister. Und wer liebt es nicht, das Schwarzwaldhochland, seine mächtigen Waldrücken, seine tiefen Talschluchten, die saftigen Wiesen um die sprudelnden Rinn­sale und Bäche. Je tiefer man in das Wald­gebirge gelangt, um so charakteristischer und geschlossener wird die Landschaft. Wenn wir uns Wildbad nähern, das Tal der Enz von Pforzheim heraufkommend, rücken die flankierenden Fichtenhalden zusammen, bis sich ihre Bergfüße nahezu auf die Zehen tre­ten. Da liegt die Badestadt im behaglichen Zuschnitt ihrer geschichtlichen Entwicklung, hier noch etwas in Stuck und Gußeisen ver­spielt, dort avancierend modern, mit 5000 Einwohnern und halb soviel Fremdenbetten, angeschmiegt an die Ufer der jungen Enz, um die sich markante Hotelbauten, Fremden­heime, Gaststätten und Geschäftshäuser drän­gen. Sie klettert mit Villen- und Pensions­straßen die unteren Hänge des Meistern, des Sommerbergs und des Eibergs hinauf und trägt auf der hohen Stirn des Sommerbergs die erhabene Krone eines imposanten Höhen­hotels, um das sich eine kleine Villenkolonie schlingt. Der markante Bergkopf, durch die Schienenseilbahn scharf gescheitelt, steht im aufstrebenden Waldwuchs. Links und rechts angelehnt an die hohen Fichtenstände des trutzigen Auchhaider Kopfs und des mäch­tigen Wildbader Kopfs, während sich ihm gegenüber der Meisternhang behäbig entlang der Enz talaufwärts streckt.

Man muß wiederholt auf den Terrassen der oberen Bergbahnstation oder des Sommerberghotels in Muße gesessen haben, den falten- und schleppen­reichen Wäldermantel grün, blau und violett schimmern gesehen haben, der als feier­liche Robe einer stolzen Berglandschaft um die schlanke Taille des oberen Enz- tals gelegt ist. Man muß auch immer wieder der Enz, dem blitzsauberen Schwarzwaldmädel, den Hof ge­macht haben, auch wenn es alle Liebeserklärungen im schäumen­den Übermut der Jugend über­hört. Am charmantesten koket­tiert es auf der Promenade in den Kuranlagen, durch deren labyrinthische Felsenromantik es tanzt und spielt wie eine flüchtige Fee, während von der Trinkhalle her die Kurmusik mit ihrem Lied aus den halligen Wäldern wetteifert. Man muß vom reservierten Kurgarten, dem kultivierten Landschaftspark, hinausträumen in die weite Talsenke, aus der die Wälder ihren Wogen­gang in die Wolkensegel heben. Man sollte mit den lauschenden Forsten einsame Zwie­sprache gehalten haben. Dann erst wird man die Majestät der Wildbader Landschaft er­leben und das Herz wird sich an das Hoch­land verlieren, wie an eine große Liebe, die man ein Leben lang nicht vergißt.

Es gibt viele schöne Landschaften, und die ärmste hat ihren Reiz. Das Schwarzwald- hochland aber hat einen Vorzug, den es nur mit dem Meer teilt. Es ist bei allem Wandel der Stimmungen und Jahreszeiten in seinem Gesicht urbeständig, eine Landschaft, die nicht stirbt. Zwar heftet der Herbst an den Mantelsaum der Hochwälder einen breiten Goldstreifen und wirkt bunte Tupfen in den üppigen Talteppich des Kurparks. Die un­teren Berghänge schmücken sich mit dem Blust des Schwarzwaldfrühlings. Aber im­mergrün steht der große Nadelforst im Wech­sel von Sommer und Winter, ein Bollwerk unbesiegter Wälle von aufrechten Tannen, die sich dem Gesetz der Gezeiten nicht beu­gen. In ewiger Schönheit ruht die Wildbad- Landschaft in sich. Leib und Seele können in ihr ausspannen und sich aufrichten an ihren Urkräften von Erdwärme, Heilwasser und Bergluft, die in ihrem Herzen naturhaft zu­sammenwohnen und Zusammenwirken zur Erneuerung verbrauchter Lebenskraft. Hirth

10