Nachweis Findsystem: Findbuch.net, ZDB
LAUFZEIT
1822-1943
BESTANDSHALTENDE INSTITUTIONEN
Kreisarchiv Calw (1822-1930), Stadtarchiv Nagold (1931-1943)
GESCHICHTE
Bereits 1819 gab in Tübingen der Buchdrucker Wilhelm Heinrich Schramm das „Tübinger und Rottenburger Intelligenzblatt“ heraus, in dem auch Anzeigen und Meldungen aus den Oberämtern Herrenberg, Horb und Nagold abgedruckt wurden. Ab dem 6. September 1822 nannte sich das Blatt „Intelligenz-Blatt für die Oberamtsbezirke Tübingen, Rottenburg und Nagold“. Ab Anfang 1827 gab Wilhelm Friedrich Vischer in Nagold ein eigenständiges, zweimal wöchentlich erscheinendes „Intelligenz-Blatt für die Oberamtsbezirke Nagold und Freudenstadt“ heraus. 1803 in Altensteig geboren, erlernte er nach dem Besuch der dortigen Lateinschule den Beruf des Buchdruckers bei W. H. Schramm in Tübingen und Johann Friedrich Cotta in Stuttgart. Nach beruflichen Stationen in Karlsruhe und Heilbronn und nach der Ableistung des Militärdienstes kaufte er in Nagold ein Haus in der Marktstraße 14, in dem er 1827 eine Buchdruckerei eröffnete, in der man auch „Druckarbeiten aller Art“ anfertigen lassen und Bücher bestellen konnte (spätere Buchhandlung Zaiser). Vischers Ankündigung zufolge wurde vor allem folgendes veröffentlicht: „Verfügungen der Oberämter, gerichtliche Verfügungen, besonders in Vermögenssachen, wöchentliche Frucht-, Fleisch- und Brotpreise, Anzeigen von Geborenen, Kopulierten [Verheirateten], Gestorbenen, Warenangebote, Dienstangebote, nützliche und belehrende Aufsätze, schöne Erzählungen und Anekdoten, Charaden und Rätsel, Gedichte, Aphorismen und überhaupt mehreres Unterhaltendes zur völligen Befriedigung des Lesers.“
Anfang 1829 wurde das Verbreitungsgebiet ausgedehnt, mit dem geänderten Titel „Intelligenz-Blatt für die Oberamtsbezirke Nagold, Freudenstadt und Horb“. Bereits zum 1. Juli 1831 erfolgte die nächste Erweiterung, nunmehr als „Intelligenz-Blatt für die Oberamtsbezirke Nagold, Freudenstadt, Horb und Herrenberg“. Seit 1831 wurde eine Beilage herausgegeben, die „Beiblätter aus dem Nagoldgau für Volk und Schule“, deren Zweck hauptsächlich die „Verbreitung guter Sitten und christlicher Tugenden“ war. In den 1840er Jahren wurden die „Beiblätter“ abgelöst durch verschiedene andere, allerdings nur kurzzeitig erscheinende Beilagen, beispielsweise den „Feierabend für die Landwirtschaftler“ oder die „Guckkastenbilder“. Vischer war schon längst ein angesehener Nagolder Bürger und Gemeinderatsmitglied, auch war er Vorstand des Rekruten-Vereins und Hauptmann der neu entstandenen Bürgergarde (später Bürgerwehr). Nachdem er im Vormärz wegen seiner fortschrittlich-liberalen Grundeinstellung zunehmend Schwierigkeiten bekam, beendete er Ende 1845 seine Tätigkeit als Herausgeber und Redakteur des „Intelligenz-Blatts“. Anschließend betätigte er sich als Bierbrauer und Gastwirt (späteres Gasthaus Traube), bis zu seinem Rückzug ins Privatleben 1867, er starb am 2. Februar 1887.
Ab Anfang 1846 wurde das Blatt von Vischers Nachfolger Gottlob Zaiser, Buchdrucker aus Stuttgart, herausgegeben. Von den Bemühungen um die Verbesserungen in der Landwirtschaft für die immer noch großenteils bäuerlichen Bevölkerung zeugen die 1847 und 1848 herausgegebenen Beilagen über die mehrere Oberämter umfassenden „Gauversammlungen“. Die 1848er-Revolution brachte die lange ersehnte Pressefreiheit mit der Möglichkeit der politischen Berichterstattung, die in den Folgejahren allerdings wieder eingeschränkt wurde. Bereits ab 1843 enthielt jede Ausgabe die Rubrik „Der Gesellschafter“, die nicht nur der Unterhaltung, sondern zunehmend auch der Versorgung mit Nachrichten aus Württemberg („Württembergische Chronik“) und dem (nichtwürttembergischen) Ausland diente. Ab 1847 wurde der „Gesellschafter“-Teil als Beilage mit eigener Ausgabenzählung und Paginierung geführt.
Nachdem in den benachbarten Oberämtern Herrenberg (1841), Freudenstadt (1848) und Horb (1851) eigene Intelligenzblätter gegründet wurden, führte das Blatt ab 1851 den Titel „Nagolder Amts- und Intelligenzblatt“. Gottlob Zaiser starb 47jährig am 17. September 1854. Um das weitere Erscheinen zu sichern, übernahm die Redaktion für zehn Jahre Oberamtswundarzt Hölzle, der übrigens im selben Haus wohnte. Die Witwe Luise Zaiser heiratete 1856 den Bruder ihres verstorbenen Mannes, Wilhelm Zaiser. Er starb bereits 1857. Der Verlag wurde fortan von der Witwe geleitet. Unterstützung kam von Sebastian Steinwandel, der, seit 1854 als „Faktor“ im Unternehmen tätig, nach dem Ausscheiden von Hölzle 1865 die Redaktion übernahm. Im Zuge der Reichsgründung 1871 konsolidierte sich das Blatt, die Abonnentenzahl konnte kräftig gesteigert und das Format vergrößert werden. Ab 1865 erschienen drei Ausgaben pro Woche, ab 1895 waren es vier, ab 1902 fünf und ab 1905 sechs. Damit war aus dem „Gesellschafter“ eine „richtige“ Tageszeitung geworden.
1886 hatten Luises Söhne Emil und Julius Zaiser den Betrieb übernommen. Julius zog sich 1893 zurück, Emil leitete den Verlag. Der den Häuserkomplex um den alten Kirchturm an der Marktstraße betreffende Stadtbrand vom 17./18. September 1893 war auch für den Zaiserschen Betrieb eine Katastrophe. Das Verlagsgebäude wurde samt Inhalt ein Raub der Flammen. Die Zeitung wurde vorübergehend an anderen Standorten in der Stadt produziert. Es dauerte bis zum Spätsommer 1894, bis der Verlag wieder in sein neu errichtetes Gebäude am alten Standort (Marktstraße 7) einziehen konnte. Am 1. Juli 1913 übergab Emil Zaiser den Betrieb an seinen Sohn Karl. Während seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg 1914 bis 1918 führte seine Frau Emilie geb. Knodel das Geschäft mit Unterstützung des langjährigen „Faktors“ Karl Reichert. Während des Krieges wurden Anzeigen und Veröffentlichungen des Roten Kreuzes kostenlos abgedruckt.
Von 1902 bis Anfang 1914 war K. Paur als Redakteur tätig. Ab 1914 war Richard Tschorn Schriftleiter (erstmals genannt am 2.5.1914). Er tat sich gelegentlich mit eigenen Gedichten hervor. Am 28.10.1916 legte er sein Amt nieder und verabschiedete sich von seinen Lesern, besonders von denen „im Felde“, um eine neue Stelle in Stuttgart anzutreten. Vorübergehend übernahm die Schriftleitung der frühere Chef Emil Zaiser. Am 23.01.1917 stellte sich der neue „Redaktor“ Karl Otto Braun vor wie folgt: „ … ‚Treu Deutsch‘ sei mein Leitsatz in allen Arbeiten. Wie meine Vorgänger, so werde auch ich die Zeitung leiten, wie solche von jeher geführt worden ist. Der Zeit angepaßt, will ich suchen, im Bereich unseres Blattes politische Händel möglichst zu umgehen oder zu vermeiden. Und sollte dennoch mal ein Fall vorkommen, in welchem die Journalistenfeder zu spitz war, so hoffe ich, daß man auch hier berücksichtigt, daß ein Redaktor aus Fleisch und Blut, und nicht aus Pappe besteht. Und nun: ‚Gott befohlen!‘“ 1918 war Paul Sage Schriftleiter (erstmals genannt am 4.7.1918). 1921 und 1922 wird K. Roschmann als Schriftleiter genannt (erstmals am 3.6.1921).
Ab 1. Oktober 1919 firmierte die Zeitung als „Der Gesellschafter. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Nagold. Nagolder Tagblatt“. Seit 1921 wurde die von Hans Reyhing in Ulm herausgegebene Heimatbeilage „Unsere Heimat“ aufgenommen. Im Inflationsjahr 1923 sahen sich viele Leser zur Kündigung ihres Abonnements gezwungen, so dass die Auflagenzahl stark zurückging. Doch in den Folgejahren trat eine Erholung ein. 1924 kamen die Wochenbeilage „Haus-, Garten- und Landwirtschaft“ sowie das reich illustrierte Unterhaltungsblatt „Feierstunden“ dazu.
Die Gleichschaltung der Presse unter der NS-Herrschaft konnte in Nagold bereits zum 1. Juli 1933 vollzogen werden. Dafür wurde der der NS-Presse gehörende Hochburg-Verlag mit Sitz in Nagold gegründet. Als Lokalredakteur wurde Hermann Götz eingesetzt (erstmals genannt am 20.03.1933). Das Blatt nannte sich jetzt „Der Gesellschafter - Nationalsozialistische Tageszeitung - Alleiniges amtliches Anzeigeblatt“; als Beilagen wurden herausgegeben „Der SA-Mann“, „Deutsche Frau“, „Sonntags- und Jugendbeilage“, „Bauernwacht“ und „Bilderdienst“. Karl Zaiser oblag lediglich der Druck, inhaltlichen Einfluss konnte er nicht mehr ausüben. Ab 1938 war Fritz Schlang verantwortlicher Schriftleiter. Die Kreisreform vom 1. Oktober 1938 aufgreifend, lautete der Titel ab 1939: „Der Gesellschafter - Amtsblatt des Kreises Calw für Nagold und Umgebung - Nagolder Tagblatt“. So blieb es bis zur erzwungenen Verschmelzung mit der „Schwarzwaldwacht“ Calw zum 1. April 1943. In der letzten Ausgabe vom 31. März 1943 verabschiedeten sich Verlag und Schriftleitung mit folgenden Worten: „Wir werden in der alten, selbständigen Form mit unserem ‚Gesellschafter‘ wieder vor unsere Leser treten, wenn die Verpflichtungen, denen wir uns heute unterstellen, erfüllt sind.“ Bis zum Wieder-Erscheinen des Gesellschafter sollte es allerdings noch mehr als sechs Jahre dauern.
BESCHREIBUNG VERFASST VON
Martin Frieß (2021), Kreisarchiv Calw
LITERATUR
- Georg Dieterle: Geschichte des Nagolder Tagblattes „Der Gesellschafter“ im ersten Jahrhundert seines Bestehens (1826-1926), Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum „Der Gesellschafter“, Beilage zum „Gesellschafter“ Nagold vom 31. Dezember 1926